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Massnahmen für Lohnschutz Mit den Gewerkschaften im Boot steigen Chancen für EU-Verträge

Noch während Wirtschaftsminister Guy Parmelin vor den Medien von einem «ersten Durchbruch» sprach, widersprach der Gewerkschafts-Dachverband Travailsuisse per Mediencommuniqué: «Kein Durchbruch» seien die ersten Massnahmen, auf welche sich die Sozialpartner einigten, um das Lohnschutzniveau auch mit neuen Abkommen mit der EU zu sichern – es seien lediglich erste konkrete Schritte in die richtige Richtung.

Das kleine Geplänkel sollte aber nicht täuschen: Auch wenn die Gewerkschaften nun vor allem betonen, was noch alles fehle, tönen sie sehr viel positiver als auch schon. «Nicht akzeptabel» hatte Gewerkschaftsbund-Präsident Pierre-Yves Maillard Ende Dezember noch gewettert. Nun hört man hinter den Kulissen, dass sich die Sozialpartner auch bei den offiziell noch offenen Punkten näher seien als offiziell kommuniziert: Also bei der Frage, unter welchen Bedingungen Gesamtarbeitsverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden können, und beim Schutz für gewerkschaftlich engagierte Angestellte.

Sorgenkind Spesenregel noch nicht gelöst

Beim Sorgenkind Spesenregel liegt zwar noch keine definitive Lösung vor. Doch der Bundesrat hat signalisiert, dass er im Gesetz verankern will, dass in der Schweiz auch Schweizer Spesen bezahlt werden müssen. Dies, obwohl die EU vorsieht, dass die Höhe der Spesen sich nach dem Herkunftsland von entsandten Arbeitskräften richtet und hier keine Ausnahme machen wollte. Doch auch hier scheint die offene Frage vor allem noch zu sein, ob sich die Schweiz ganz offiziell nicht daran halten will – indem sie es sogar in ein Gesetz schreibt. Oder ob sie sich stillschweigend nicht an die EU-Regel hält.

Gelingt es dem Bundesrat, die Gewerkschaften im Boot zu behalten, bis auch die letzten Details verhandelt sind, steigen die Chancen von neuen Abkommen mit der EU markant. Denn eines ist klar: Die SVP wird die Abkommen aus demokratiepolitischen Gründen vehement bekämpfen. Würden auch die Gewerkschaften gegen die Abkommen antreten, wären sie vor dem Volk chancenlos.

Mit den Gewerkschaften steigen die Chancen des EU-Abkommens

Doch gestiegene Chancen bedeutet noch keineswegs, dass die Abkommen durchkommen. Denn auch wenn der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse mit einer Vorkampagne begonnen hat, Goodwill zu schaffen für die Verträge: In Wirtschaftskreisen gibt es auch ausserhalb des organisierten Nein-Lagers viel Skepsis. Der Schweizerische Gewerbeverband betont zum Beispiel, erst am Schluss eine Güterabwägung vorzunehmen. Und bei den Parteien haben FDP und Mitte noch intensive Diskussionen vor sich.

Dazu kommt: Im Moment verändert sich in Europa sehr viel. Mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump ist die Machtpolitik zurück, die EU sucht nach ihrer neuen Rolle und steht vor immensen Herausforderungen. Gleichzeitig erstarken autoritäre Kräfte. Wenn die neuen Abkommen mit der EU in ein paar Jahren zur Abstimmung kommen, dürfte mitentscheidend sein, in welcher Verfassung die EU dann ist, und wie es der Schweizer Wirtschaft geht.

Sollte sich die Situation nicht bald wieder normalisieren, sind ganz unterschiedliche Szenarien denkbar: Dass die Schweiz die EU in der Krise wieder mehr als natürliche Verbündete empfindet und sich von neuen Abkommen Sicherheit verspricht. Oder dass sie im Gegenteil fürchtet, mehr Nähe zur EU bedeute auch mehr Risiko, von ihr in einen Negativstrudel mitgerissen zu werden.

Nathalie Christen

Bundeshausredaktorin

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Christen ist Korrespondentin im Bundeshaus für Fernsehen SRF. Sie arbeitet seit 2002 für SRF. Unter anderem leitete sie die Bundeshausredaktion von Radio SRF und war Produzentin bei der «Arena». Zuvor war sie Bundeshausredaktorin beim «SonntagsBlick».

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SRF 4 News, 19.02.2025, 17 Uhr

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