Bischof Joseph Bonnemain war deutlich an der Medienkonferenz zur neuen Missbrauchsstudie. Er benannte die Missstände, gab zu, dass Menschen, die Vertrauen hatten in die römisch-katholische Kirche und ihr Personal, Sexualstraftätern ausgeliefert wurden. Dass die Verantwortlichen systematisch vertuscht und Täter geschützt und damit weitere Opfer in Kauf genommen hätten. Und er sagte: Die römisch-katholische Kirche brauche einen Kulturwandel.
Um diesen anzustossen, hat die Bischofskonferenz vier Massnahmen beschlossen. Sie will eine unabhängige, nationale Anlaufstelle einrichten. Betroffenenverbände fordern dies schon lange, denn wer im kirchlichen Umfeld sexuell missbraucht wurde, wendet sich unter Umständen nicht an eine kirchliche Stelle. Warum die Bischöfe diese Anlaufstelle nicht schon früher lancierten, konnte Bischof Joseph Bonnemain nicht nachvollziehbar erklären. Doch immerhin prüft die Bischofskonferenz nun verschiedene Modelle.
Längst überfällig ist auch die angekündigte Professionalisierung des Personalwesens in den Bistümern.
Keine Aktenvernichtungen mehr
Dann wollen die Bischöfe Priesterkandidaten künftig besser prüfen. Ein psychologischer Test soll garantieren, dass nur Leute Priester werden, die reif, ausgeglichen und psychisch gesund seien. Eine gute Idee, doch sie steht und fällt mit der Ausführung. Denn die römisch-katholische Kirche leidet bekanntermassen unter Priestermangel. Werden die Verantwortlichen also wirklich Kandidaten ausschliessen, wenn sie beim Test versagen?
Als vierte Massnahme haben die Bischöfe versprochen, dass keine Akten mehr vernichtet würden. Die Studie hat gezeigt, dass dies in einigen Bistümern Usus war. Und das kommt nicht von Ungefähr. Laut Kirchenrecht müssen Akten von Missbrauchstätern vernichtet werden, wenn der Strafprozess zehn Jahre her oder der Täter verstorben ist. Hier proben die Bischöfe und die Verantwortlichen der römisch-katholischen Kirche also den Ungehorsam gegenüber dem Vatikan. Und das ist neu: Bisher haben sie sich jeweils auf den Standpunkt gestellt, dass sie Vorgaben aus Rom durchsetzen müssen.
Bis die Massnahmen wirken, dauert es lange
Neue Töne gab’s von Bischof Joseph Bonnemain auch beim Thema Zölibat. Das könne man durchaus infrage stellen, sagte er im SRF-Interview. Das wäre dann tatsächlich ein Kulturwandel. Doch entscheiden muss hier der Papst – und da ist eine Veränderung nicht absehbar.
Reichen die Massnahmen also, um den Imageschaden zu beheben? Nein, denn bis die Massnahmen wirken, geht es lange. Und jüngste Entwicklungen haben gezeigt, dass lange noch nicht alles korrekt abläuft im Umgang mit sexuellem Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche. Und: Die Erfahrungen aus dem Ausland mit ähnlichen Studien zeigen, dass viele Leute die Geduld mit der römisch-katholischen Kirche verloren haben und austreten.