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Medien in der Finanzmisere Geschäftsmodell bröckelt: Versagt der Markt beim Journalismus?

Auf dem Weltmedienkongress in Wien wurde deutlich: In immer mehr Ländern glauben immer weniger Medienschaffende, dass Journalismus als Geschäftsmodell überhaupt noch funktionieren kann. Sind Stiftungen und Mäzene die Rettung für unabhängige Medien?

In autoritär regierten Ländern steuert der Staat die Medien. In Demokratien sind sie ein kommerzielles Angebot, finanziert durch Abonnemente, Kioskverkäufe und Anzeigen.

Doch das Vertrauen in den Journalismus als Geschäftsmodell schwindet rapide: Laut einer Studie des Reuters Institute an der Universität Oxford fuhren Medienhäuser allein im Jahr 2020 weltweit 30 Milliarden Dollar Verluste ein.

Freien Medien fehlen die Einnahmen

Sameer Padaria, der Hauptautor der Studie, spricht von wachsender Fragilität. «Vielerorts müssen Journalistinnen und Journalisten um ihren Lohn bangen.» Und Khadija Patel, bis vor kurzem Chefredaktorin der angesehenen, aber nunmehr serbelnden südafrikanischen Zeitung «Mail and Guardian», sagt: «In Drittwelt- und Schwellenländern gibt es schlicht keine nachhaltige Finanzierung für staatsunabhängige Medien.»

Vielerorts müssen Journalistinnen und Journalisten um ihren Lohn bangen.
Autor: Sameer Padaria Studienautor

Ähnlich tönt es aus anderen Ländern – von Myanmar bis Mexiko, von den Philippinen über Osteuropa bis Afrika: Es gebe immer weniger Geld für unabhängigen Journalismus, klagt eine polnische Journalistin. Eine Kollegin aus Serbien ergänzt: Gute, freie Medien seien auf dem Markt kaum mehr zu finanzieren.

Crowdfunding-Anstrengungen verschlingen rund die Hälfte der Crowdfunding-Einnahmen.
Autor: Reka Kinga Papp Journalistin aus Ungarn

Und wie steht es denn um das gern als Lösung angepriesene Crowdfunding, also Klein- und Kleinstspenden? Dieses sei, so Reka Kinga Papp aus Ungarn, «keine ernsthafte Alternative, denn der Aufwand ist zu hoch. Die Crowdfunding-Anstrengungen verschlingen nämlich rund die Hälfte der Crowdfunding-Einnahmen.»

Mäzene als Ausweg aus der Misere?

Guter Rat ist also teuer. Umso mehr, als in zahlreichen Ländern auch das öffentlich-rechtliche Finanzierungsmodell, hauptsächlich durch die politische Rechte, unter Druck gerät – und dies bis hin zur altehrwürdigen BBC. Gleichzeitig gibt es immer mehr enorm reiche Stiftungen wie die Ford Foundation, die Open Society Foundation oder der niederländische Lotteriefonds und Hunderte weiterer, die bereit sind, Journalismus zu unterstützen. Ausserdem enorm viele millionen- und milliardenschwere Einzelpersonen.

Kein Wunder, dass die Philanthropie, dass Mäzene neuerdings als der ideale Ausweg aus der Misere gelten. Nicht nur als Anschubhilfe oder zur Rettung notleidender Publikationen und Sender. Sondern als dauerhafte Finanzierung.

Gefahr von Interessenskonflikten schwingt mit

Einer der wenigen, der auf dem Weltmedienkongress in Wien zu Vorsicht mahnte, ist Christoph Plate von der Konrad-Adenauer-Stiftung, die der deutschen CDU nahesteht. Zwar findet auch er: «Da ist viel wohlmeinende Unterstützung mit im Spiel. Viele dieser Milliardäre und Stiftungsvertreter sehen schon die gesellschaftliche Bedeutung des Journalismus, sie sehen die Wächterfunktion.»

Es gibt immer wieder Situationen, in denen Medienhäuser und Philanthropen irgendwann miteinander in Konflikt geraten.
Autor: Christoph Plate Konrad-Adenauer-Stiftung

Er hält zudem den jetzt auch in der UNO diskutierten Vorschlag für interessant, dass wohlhabende Länder ein Prozent ihrer Entwicklungshilfe in den Journalismus in armen Ländern stecken. Aber er warnt: «Wir sehen gerade in Afrika, wo ich tätig bin, immer wieder Situationen, in denen die Medienhäuser und die Philanthropen irgendwann miteinander in Konflikt geraten.»

Mischfinanzierung, um Klumpenrisiko zu vermeiden

Und längst nicht jede Stiftung lässt den Redaktionen völlig freie Hand. So verlangt etwa die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, dass mit ihren Mitteln für afrikanische Medien Gesundheitsthemen aufgegriffen werden. Andere Stiftungen können gemäss ihren Statuten Medienhäuser nur unterstützen, wenn diese sich als wohltätige Institutionen registrieren lassen.

Grundsätzlich sollten Medienhäuser bestrebt sein, auf eigenen Füssen stehen zu können.
Autor: Christoph Plate Konrad-Adenauer-Stiftung

Plate hält es für gefährlich, wenn sich Medienhäuser ganz oder weitgehend abhängig machen von Mäzenen. «Grundsätzlich sollten Medienhäuser bestrebt sein, auf eigenen Füssen stehen zu können.» Um Klumpenrisiken zu vermeiden, sei zumindest eine Mischfinanzierung anzustreben.  

Marktmodell kommt an seine Grenzen

Doch die Hoffnung ist derzeit gross, dass am Ende die Philanthropie den Journalismus rettet. Man mag das als Bankrotterklärung sehen. Oder als Einsicht, dass nicht mehr ausreichend Leute bereit sind, für guten Journalismus genug zu zahlen. Und dass das Marktmodell für unabhängige Medien in immer mehr Ländern versagt.

Echo der Zeit, 19.09.2021, 18:00 Uhr

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