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Medienpolitik Kleinere Schritte in der Medienförderung wären wohl sinnvoller

Wenn Sie diese Zeilen lesen, dann wahrscheinlich im Wissen, dass Sie dafür auch bezahlt haben. Mit 71.6 Prozent hat das Stimmvolk 2018 die No-Billag-Initiative abgelehnt, die Schluss machen wollte mit der Medienförderung via Gebühren, von denen SRF profitiert.

Wenn Sie journalistische Zeilen online zum Beispiel bei blick.ch oder dem Startup «Tsüri.ch» in Zürich lesen, dann können Sie das tun, ohne dafür bezahlt zu haben. Sie können zwar auch ein Bezahl-Abo lösen, viele aber lesen eben gratis mit. Die Print- und Onlinemedien erhalten in der Schweiz traditionell kaum Unterstützung durch öffentliche Finanzierung.

Sogenannte technologieneutrale Förderung

Das soll sich ändern, und zwar radikal. Die Eidgenössische Medienkommission (Emek) hat am Dienstag vorgeschlagen, das bisherige Gebührenmodell, dank dem neben der SRG auch private Radio- und TV-Stationen mit ihren Online-Angeboten Geld erhalten, zu ersetzen. Neu soll ein «einheitliches Fördersystem alle privaten Medien» berücksichtigen, unabhängig davon, ob sie ihre Recherchen via Zeitung, Radio/TV oder gänzlich Online erzählen. Technologieneutrale Förderung nennt sich das.

Die Medienbranche insgesamt soll unterstützt werden: mit «allgemeinen Massnahmen», mit Unterstützung privater Betriebe, Infrastrukturen, mit Bezahlung von Projekten, Ausbildung und Forschung. Zudem soll eine nationale Nachrichtenagentur unterstützt werden. Was das alles kosten kann, darüber sagt die Emek nichts.

Kein neuer Vorschlag

Der Vorschlag der technologieneutralen Medienförderung ist nicht neu. Unter dem Namen «Verein Medien mit Zukunft» haben sich eher links positionierte Print- und Onlinemedien schon vor Jahren zusammengeschlossen und lobbyieren gekonnt und bis in die Emek hinein für eine technologieneutrale, neue Medienförderung.

Im Oktober ist der bürgerliche Think-Tank Avenir Suisse ebenfalls für das Prinzip eingestanden, hat dieses aber klarer abgesteckt, inklusive Totalumbau der SRG zum «content provider». Und in dieselbe Richtung wie jetzt die Emek zielte das Medienförderungsgesetz, das im Februar 2022 allerdings mit 54.6 Prozent an der Urne abgelehnt worden ist.

Anpassung in kleineren Schritten wohl sinnvollere Strategie

Dass sich die Emek aber so klar für eine neue, umfassende Medienförderung ausspricht, ist dennoch hochinteressant: Die Emek berät den Bundesrat in Medienfragen. Bis vor wenigen Tagen war Simonetta Sommaruga die Schweizer Medienministerin. Jetzt berät die Emek den neuen Medienminister Albert Rösti und dessen Medienministerium, das Bakom. Rösti kritisierte die SRG immer wieder als «Staatsfernsehen» – abhängig von öffentlichen Fördergeldern.

Es wird interessant sein zu erfahren, wie sich Medienminister Rösti bei der Frage verhalten würde, ob private Medienhäuser künftig Geld aus öffentlichen Kassen – vielleicht sogar auf Kosten des Service public – erhalten sollen.

Selbst wenn Medienminister Rösti die Idee aufnehmen und in der Verwaltung fördern sollte: Eine so tiefgreifende Umorientierung hin zu einer aktiven Medienpolitik aus Bern bräuchte Jahre des politischen Abgleichs, bis sie umgesetzt wäre. Volksabstimmung inklusive. Ein politisches Geschäft, das vielleicht erst Albert Röstis Nachfolge abschliessen würde. Wahrscheinlich wäre eine Anpassung der Schweizer Medienpolitik in kleineren, aber zeitnah umsetzbaren Schritten die sinnvollere Strategie.

Michael Perricone

Chef vom Dienst, SRF Newsroom

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Michael Perricone ist Chef vom Dienst in SRF Newsroom und gibt am Medienausbildungszentrum MAZ einen Kurs für Journalistinnen und Journalisten zum Umgang mit PR. Er hat 2011 als Leiter Ressort Politik bei der «Blick»-Gruppe gearbeitet.

SRF 4 News, 10.01.2023, 11:30 Uhr

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