Für die Grenzwächter an der Südgrenze der Schweiz ist es zur Routinearbeit geworden: Sie durchkämmen die Züge, die in Chiasso oder Stabio von Italien her die Grenze überqueren und suchen nach Flüchtlingen.
Diese reisen mit wenig Gepäck und ohne Ausweis. Die Grenzwächter eskortieren sie in eine Räumlichkeit beim Bahnhof Chiasso, erfassen ihre Identität, nehmen Fingerabdrücke und gleichen diese mit dem Schengener Informationssystem ab.
Nur die wenigsten Flüchtlinge beantragen Asyl in der Schweiz. Die meisten wollen weiterreisen, etwa nach Deutschland, Frankreich oder Grossbritannien, wo sie Bekannte oder Freunde haben.
Über 52'000 Menschen sind im vergangenen Jahr illegal in die Schweiz eingereist. An der Südgrenze bei Chiasso greifen die Schweizer Grenzwächter fast ausschliesslich junge Männer aus Afghanistan oder Nordafrika auf. 2'900 waren es im Dezember, 3'400 im November.
Die italienischen Behörden müssten die Migranten unkompliziert zurücknehmen, doch Italien legt das Rückübernahmeabkommen mit der Schweiz einseitig aus. In der Folge kann die Schweiz immer weniger Migranten zurückschicken, um so die illegale Einwanderung und die Durchreise zu verhindern.
Italien nimmt maximal 20 Personen pro Tag zurück
Italien hat sich gemäss einem Abkommen mit der Schweiz bereit erklärt, in einem vereinfachten Verfahren Flüchtlinge innert 24 Stunden zurücknehmen. Von den 2'900 Personen, die im Dezember an der Südgrenze aufgegriffen wurden, nahm Italien 573 Personen zurück. Das sind im Schnitt täglich 20 Personen.
Der Vertrag zwischen der Schweiz und Italien lege nicht fest, wie viele Menschen Italien zurücknehmen müsse, sagt Samuel Wyss vom Staatssekretariat für Migration (SEM): «Die italienischen Behörden sagen, dass ihre Aufnahmekapazität bei maximal 20 Personen liege, vor einigen Wochen waren es noch 40.» Das SEM habe keine Handhabe, es könne die italienischen Behörden nicht verpflichten, mehr Flüchtlinge zurückzunehmen.
Wegweisung aus dem Schengen-Raum bleibt wirkungslos
Die Grenzwächter weisen die Flüchtlinge weg. Diese müssen den Schengenraum nun innert einer Frist von sieben bis dreissig Tagen verlassen. Da die Schweiz – abgesehen vom Luftweg – keine Schengen-Aussengrenze hat, können die illegal eingereisten Flüchtlinge selbst entscheiden, über welche Aussengrenze sie die Schweiz verlassen.
Die meisten steigen in den nächsten Zug in Richtung Zürich, Basel und setzen ihre Reise fort. «Wie sie die Schengen-Aussengrenzen verlassen, da haben wir keine Möglichkeit das zu überprüfen», sagt Samuel Wyss vom SEM. Die Behörden hätten keine rechtliche Möglichkeit, illegal eingereiste Personen festzuhalten.
Ob die Migranten bereits in Italien, Griechenland oder anderen Schengen-Staaten weggewiesen wurden, sei nicht ersichtlich, schreibt das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG), das an der Südgrenze kontrolliert. Im Normalfall hätten bereits weggewiesene Personen keine Wegweisungsverfügung anderer Schengen-Staaten dabei.
Vereinzelt tragen Flüchtlinge in Chiasso eine von Italien ausgestellte Wegweisungsverfügung auf sich. Es ist wohl davon auszugehen, dass die meisten eine solche wegwerfen, sobald sie die Grenze überschritten haben, mit der Absicht weiterzureisen.
So setzen die jungen Männer ihre teils mehre Monate dauernde Reise in ihr Zielland fort und stellen dort einen Asylantrag.