Loverboys verführen angeblich Schweizer Mädchen und zwingen sie in die Sexarbeit, so die Annahme. Doch die Datenlage dazu ist sehr dünn. Über die Hintergründe weiss Simona Materni mehr.
SRF News: Sagt Ihnen das Phänomen «Loverboy» etwas?
Simona Materni: Ja natürlich, die Loverboy-Masche zur Anwerbung von Frauen oder Mädchen für die Sexarbeit, das kennen wir. Wir haben dazu eine Umfrage bei den kantonalen Polizeikorps gemacht, aber keine Fälle für die Schweiz gefunden. Es sind uns also keine Fälle bekannt, bei denen gezielt Frauen oder Mädchen in der Schweiz angegangen worden wären. Die Wahrscheinlichkeit wäre hierzulande wohl sehr gross, dass ein Versuch, sich mit der Loverboy-Masche Opfer zu suchen, auffliegen würde.
Macht angesichts dieser Ausgangslage die aktuelle Aufmerksamkeit aus einer Präventionsperspektive Sinn?
Nein, bei solchen Einzelfällen ist es sehr wichtig, dass das Ereignis aufgearbeitet wird. Mann muss fragen, wer was zu welchem Zeitpunkt hätte erkennen müssen. Aber anhand von Einzelfällen können wir keine fundierten Präventionsbotschaften oder -tipps ableiten. Und wenn, dann würden die Präventionshinweise sehr vage und sehr schwammig, was nichts bringen oder sogar Ängste auslösen würde.
Schulen und Eltern leisten viel gute Präventionsarbeit.
Aber auch Einzelfälle müssten geschützt werden?
Damit Jugendliche in der Schweiz gar nicht erst in solche emotionalen Abhängigkeiten geraten, die in einem Loverboy-Fall enden könnten, ist es wichtig, dass wir die Jugendlichen darin unterweisen, sich selbst und ihre körperliche Integrität zu schützen. In diesem Bereich leisten beispielsweise Schulen und Eltern schon sehr viel gute Präventionsarbeit.
Was ist sonst noch wichtig bei Präventionsarbeit zu Menschenhandel?
Aus Präventionsperspektive gibt es zwei Schwierigkeiten. Die eine ist, dass Menschenhandel vor allem im Verborgenen stattfindet: Die Opfer sind sehr isoliert, sie kennen sich in der Schweiz nicht aus. Die zweite Schwierigkeit ist, dass viele Menschen in der Schweiz falsche Vorstellungen von Menschenhandel haben. Sie glauben, dass die Opfer eingesperrt sind, angekettet, oder dass sie flüchten würden, sobald sich die Gelegenheit gibt. Doch das ist nicht der Fall.
Die Opfer geraten bereits in ihren Heimatländern in die Fänge von Menschenhändlern.
Was für Schlüsse ziehen Sie daraus für Ihre Präventionsarbeit?
Die Opfer von Menschenhandel stammen mehrheitlich aus dem Ausland und geraten bereits in ihren Heimatländern in die Fänge von Menschenhändlern. Deshalb ist es wichtig, dass man Prävention vor Ort macht. In der Schweiz sollten Präventionskampagnen deshalb eigentlich mehr darauf abzielen, Menschen anzusprechen, die in Kontakt mit Opfern geraten könnten.
Was ist die Gefahr, wenn dem Phänomen nicht die entsprechende Aufmerksamkeit gewidmet wird?
Kriminalprävention bekommt nur eine sehr begrenzte Aufmerksamkeit und diese sollte man bestmöglich nutzen. Das wäre auch im Sinne der wahren Opfer von Menschenhandel.
Das Gespräch führte Balz Oertli.