«Günstige Milch und ein Kalb, das bei der Mutter aufwächst – so etwas gibt es einfach nicht.» Die 27-jährige Bettina Belser führt einen modernen Milchbetrieb. Für sie ist klar, dass viele Menschen den Bezug zur Landwirtschaft verloren haben. Sie wüssten nicht, was eigentlich hinter einem Glas Schweizer Milch oder einem Stück Käse stecke. «Da sind Melkroboter am Werk und keine Bauern, welche die Kühe einzeln melken.»
Die Arbeit von Kuhhaltern scheint hart und wenig lukrativ: Jeden Tag geben zwei Schweizer Bauern die Milchwirtschaft auf – der tiefe Milchpreis soll laut Belser häufig die Ursache dafür sein. Viele Landwirtschaftsbetriebe wollen deshalb möglichst viel Milch produzieren: Sie setzen auf Hochleistungskühe, die bis zu 30 Kilogramm Milch am Tag produzieren.
Auch Belser verfolgt diese Strategie: «Ich kann so mit weniger Kühen mehr Milch produzieren.» Für die junge Landwirtin mag dies der richtige Ansatz sein. Für viele Milchbauern geht die Rechnung Ende Jahr aber kaum auf. Denn immer mehr Milch bedeutet nicht automatisch mehr Einkommen – die Kosten für teures Kraftfutter drücken auf die Bilanz. Zudem sind die grossen und leistungsstarken Kühe häufig anfälliger für Krankheiten – in solchen Fällen leiden nicht nur die Kühe, sondern auch das Portemonnaie der Bauern unter den Tierarztkosten.
Reine Milchmaschinen
Auch von Tierschützern wird diese Art des Züchtens kritisiert. Caroline Mulle von der Stiftung für das Tier im Recht (TIR) sagt: «Die Zucht von Hochleistungstieren nimmt immer groteskere Züge an. Die Kühe haben teilweise so grosse Euter, dass ein arttypisches Bewegen nicht mehr möglich ist.» Die Tiere würden so zu einer reinen Milchmaschine degradiert.
Je nach Rasse geben Kühe in der Schweiz knapp 27 Prozent mehr Milch als noch vor 25 Jahren. Zudem würden die Tiere in der Zucht immer den Ansprüchen der Menschen angepasst werden, auf Kosten ihrer eigenen Bedürfnisse, bemängelt Mulle.
Klein, rund, effizient
Wie man gegebenenfalls besser und tierfreundlicher wirtschaften könnte, zeigt Oliver Vogt. Der Landwirt arbeitet mit kleineren und laut ihm effizienteren Tieren. Sein Ansatz: lieber weniger Milch, dafür auch geringere Futter- und Tierarztkosten. Er sagt: «Die Rechnung geht für mich auf, die Tiere sind so weniger anfällig für Krankheiten und die Haltung ist viel günstiger.» Vogt wagt sich nicht zu weit auf die Äste hinaus, mutmasst jedoch, dass sogar der Milchpreis steigen könnte, wenn weniger Milch produziert werden würde, «weil sich dann das Angebot verringert und wir weniger ins Ausland exportieren müssten».
Der 35-Jährige ist nicht der Einzige, der nach diesem Vorbild produziert. Die «IG neue Schweizer Kuh» hat sich zum Ziel gesetzt, die Zucht von effizienten Milchkühen voranzutreiben. Mittlerweile zählt diese Interessensgemeinschaft über 60 Mitglieder. Laut einer Studie des landwirtschaftlichen Forschungsinstituts «Agroscope» könnten jedoch ein Vielfaches an Bauern nach diesem Standard effizienter produzieren.
Für Bettina Belser ist klar, dass es für eine Kehrtwende keine einheitliche und einfach Lösung gibt. Die Ausgangslage ist von Hof zu Hof verschieden und eine Anpassung häufig kostspielig oder nicht umsetzbar. Die Tendenz nach immer leistungsstärkeren Kühen ist jedoch kaum zu verantworten, meint Landwirt Vogt, «eine Rückkehr zur Natur wäre erstrebenswert».