Die Armee soll in allen Lagen ihre Aufgaben erfüllen können. Dazu hat das Parlament 2020 240 Millionen Franken bewilligt für die Einführung einer sogenannten Geschäfts-Ressourcenplanungs-Software von der Firma SAP. Der Projekttitel lautet «ERP Systeme V/ar». SAP-Produkte kommen in vielen Firmen und Verwaltungen zum Einsatz. Zum Beispiel für Aufgaben wie Rechnungsstellung, Lohnauszahlungen, Lagerverwaltung und Logistik.
Mit dieser IT-Lösung will die Armee zum Beispiel die Soldaten mobilisieren können, Essensrationen ausliefern, Kampfjets bereitstellen oder Munition verwalten.
Armee bricht SAP-Lösung ab
Weil die Armee sich im Krisen- und Kriegsfall von der zivilen IT-Infrastruktur abkoppeln will, kauft der Bund gar zwei SAP-Lösungen ein: eine für die zivile Bundesverwaltung und eine für die Armee. Als Begründung schrieb der Bundesrat 2019: «Diese Trennung ist erforderlich, weil die einsatzrelevanten Systeme, insbesondere jene der Armeelogistik, in allen Situationen funktionieren müssen und auf der gehärteten Infrastruktur des VBS entsprechend zu schützen sind.»
Doch nun zeigen Parlamentsprotokolle, in welche SRF Einsicht hatte: Die Armee hat letztes Jahr die vollständige Einführung dieser SAP-Lösung abgebrochen. Die sogenannte «Realisierungseinheit 8» wurde gestoppt. Das Programm wird nur bis zur vorletzten Realisierungseinheit 7 fertiggestellt.
Die Armee bestätigt diesen Entscheid. Armeechef Thomas Süssli habe am 21. Juni 2023 als Programmauftraggeber diesen Entscheid gefällt. Man sei ursprünglich davon ausgegangen, das Modul «Disconnected Operations» von SAP sei eine Lösung für ein «robustes und resilientes militärisches Logistiksystem».
Besorgte Parlamentarier
Die Armee hält weiter fest: «Diese Lösung bewahrheitete sich nach mehreren Architekturiterationen mit Unterstützung von Drittfirmen und SAP jedoch nicht.» In den nächsten Jahren will nun die Armee nach einer alternativen Lösung suchen. Diese soll auf der neuen Digitalisierungsplattform NDP der Armee betrieben werden.
Das dauert und kostet zusätzlich Geld. Im Bundeshaus ist man darüber höchst besorgt. Denn die Konsequenz daraus ist: Die Armee hat vorläufig keine krisensichere Logistik, keine Kriegslogistik. Der Chef Armeestab Divisionär Alexander Kohli kündigte gegenüber der zuständigen Aufsichtskommission an: «Wir werden das Thema erst nach 2035 angehen.» Die Mittel seien derzeit knapp.
Aufgeschreckt von diesen Aussagen schrieben im Frühling die Mitglieder der Finanzkommissionen den Sicherheitspolitikern einen Brief. Darin stellen sie den Schwesterkommissionen die Frage, ob die verzögerte Einführung einer Kriegslogistik ein Sicherheitsrisiko für die Schweiz darstelle. «Wir bitten Sie, diese Frage zu prüfen.»
Sicherheitskommission verlangt Klarheit
Gleichzeitig wiesen die Finanzpolitiker auf die finanziellen Risiken hin. Die Kosten der sieben grossen IKT-Projekte im Verteidigungsdepartement beliefen sich auf 4.2 Milliarden Franken. Und: «Ein umfassendes Projektportfolio-Management des VBS liegt bis heute nicht vor», kritisieren die Finanzpolitiker.
Nun will die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates Klarheit. Sie verlangt vom Bundesrat einen Bericht zum Abbruch des Projektes. Dieser soll bis Juni 2025 vorliegen.