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IT-Projekte: Schweizer Armee ohne sichere Logistik im Kriegsfall
Aus Tagesschau vom 23.10.2024.
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Militärische IT-Projekte Schweizer Armee ohne krisensichere Logistik bis 2035

Das VBS will die Einführung einer Logistiksoftware nicht vollständig umsetzen. Darum warnen Parlamentarier, die Armee werde frühestens ab 2035 eine kriegstaugliche Logistik haben.

Die Armee soll in allen Lagen ihre Aufgaben erfüllen können. Dazu hat das Parlament 2020 240 Millionen Franken bewilligt für die Einführung einer sogenannten Geschäfts-Ressourcenplanungs-Software von der Firma SAP. Der Projekttitel lautet «ERP Systeme V/ar». SAP-Produkte kommen in vielen Firmen und Verwaltungen zum Einsatz. Zum Beispiel für Aufgaben wie Rechnungsstellung, Lohnauszahlungen, Lagerverwaltung und Logistik.

Mit dieser IT-Lösung will die Armee zum Beispiel die Soldaten mobilisieren können, Essensrationen ausliefern, Kampfjets bereitstellen oder Munition verwalten.

Armee bricht SAP-Lösung ab

Weil die Armee sich im Krisen- und Kriegsfall von der zivilen IT-Infrastruktur abkoppeln will, kauft der Bund gar zwei SAP-Lösungen ein: eine für die zivile Bundesverwaltung und eine für die Armee. Als Begründung schrieb der Bundesrat 2019: «Diese Trennung ist erforderlich, weil die einsatzrelevanten Systeme, insbesondere jene der Armeelogistik, in allen Situationen funktionieren müssen und auf der gehärteten Infrastruktur des VBS entsprechend zu schützen sind.»

Kleidung Armee.
Legende: Keystone/Laurent Gillieron

Doch nun zeigen Parlamentsprotokolle, in welche SRF Einsicht hatte: Die Armee hat letztes Jahr die vollständige Einführung dieser SAP-Lösung abgebrochen. Die sogenannte «Realisierungseinheit 8» wurde gestoppt. Das Programm wird nur bis zur vorletzten Realisierungseinheit 7 fertiggestellt.

Die Armee bestätigt diesen Entscheid. Armeechef Thomas Süssli habe am 21. Juni 2023 als Programmauftraggeber diesen Entscheid gefällt. Man sei ursprünglich davon ausgegangen, das Modul «Disconnected Operations» von SAP sei eine Lösung für ein «robustes und resilientes militärisches Logistiksystem».

Besorgte Parlamentarier

Die Armee hält weiter fest: «Diese Lösung bewahrheitete sich nach mehreren Architekturiterationen mit Unterstützung von Drittfirmen und SAP jedoch nicht.» In den nächsten Jahren will nun die Armee nach einer alternativen Lösung suchen. Diese soll auf der neuen Digitalisierungsplattform NDP der Armee betrieben werden.

Was ist die neue Digitalisierungsplattform NDP?

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Eine Rolle für den Abbruch spielt auch das Prestigeprojekt von Armeechef Thomas Süssli, die neue Digitalisierungsplattform NDP. Diese IT-Plattform soll die Basis werden für die vernetzte Kriegsführung der Schweizer Armee am Boden, in der Luft, im Weltraum, Cyberspace, elektromagnetischen Raum und Informationsraum. Alle Aufklärungsmittel (Drohnen, Radare, Späher), Waffensysteme, die militärische Führung und die Truppen im Feld sind über dieses System digital miteinander vernetzt.

Das militärische Ziel ist es, schneller als der Gegner einen Angriff auslösen zu können. Nach dem Motto: Wer schneller schiesst, gewinnt den Kampf. Die Schweizer Armee spricht vom digitalen Sensor-Nachrichten-Führungs-Wirkungsverbund.

Das Problem: Bestehende oder geplante Waffensysteme und Software auf die neue Digitalisierungsplattform zu bringen kostet Geld, Zeit und Ressourcen. Das ist auch der Grund, wieso das neue Luftüberwachungssystem doppelt so teuer wird und zurzeit suspendiert ist. SRF hat berichtet.

SAP-Systeme bei Nato-Heeren weit verbreitet

Gleichzeitig hat die Armee die technischen Sicherheitsanforderungen an ihre IT-Systeme erhöht, sodass die vollständige Einführung der SAP-Lösung aus Sicht der Armee nicht mehr möglich ist.

In einer Notiz am 30. Juni 2023 an die Eidgenössische Finanzkontrolle wird klar, welche Anforderungen neu gelten. Das Kommando Cyber müsse die gesamte IT-Infrastruktur betreiben und überwachen können – von den Applikationen (Software) bis zu den physischen Komponenten (Hardware). Zudem dürfen Fachanwendungen und Systeme während einer Einsatzphase keine Schnittstellen nach aussen haben.

Der Chef Armeestab Divisionär Alexander Kohli erklärte im April gegenüber der zuständigen parlamentarischen Aufsichtskommission: «Im Einsatzfall will man kein System, das mit der Cloud verbunden ist.» Dies habe man zu spät festgestellt.

SAP-Lösungen basieren auf Cloud-Anwendungen. Diese müssen nicht zwingend unsicher sein. 22 von 29 Nato-Armeen nutzen gemäss SAP die Angebote der Firma. Auch die ukrainische Armee setzt für die Logistik auf SAP.

Das dauert und kostet zusätzlich Geld. Im Bundeshaus ist man darüber höchst besorgt. Denn die Konsequenz daraus ist: Die Armee hat vorläufig keine krisensichere Logistik, keine Kriegslogistik. Der Chef Armeestab Divisionär Alexander Kohli kündigte gegenüber der zuständigen Aufsichtskommission an: «Wir werden das Thema erst nach 2035 angehen.» Die Mittel seien derzeit knapp.

Aufgeschreckt von diesen Aussagen schrieben im Frühling die Mitglieder der Finanzkommissionen den Sicherheitspolitikern einen Brief. Darin stellen sie den Schwesterkommissionen die Frage, ob die verzögerte Einführung einer Kriegslogistik ein Sicherheitsrisiko für die Schweiz darstelle. «Wir bitten Sie, diese Frage zu prüfen.»

Sicherheitskommission verlangt Klarheit

Gleichzeitig wiesen die Finanzpolitiker auf die finanziellen Risiken hin. Die Kosten der sieben grossen IKT-Projekte im Verteidigungsdepartement beliefen sich auf 4.2 Milliarden Franken. Und: «Ein umfassendes Projektportfolio-Management des VBS liegt bis heute nicht vor», kritisieren die Finanzpolitiker.  

Das VBS wehrt sich gegen Vorwurf

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Das VBS schreibt auf Anfrage, ein Projektportfoliomanagement auf Stufe Gruppe Verteidigung sowie Departement VBS sei aufgebaut. Die Verfolgung der Projektrisiken, die Priorisierung sowie die Abhängigkeiten zwischen Projekten bildeten die Hauptelemente der Steuerung des Projektportfolios. Die Weiterentwicklung des Projektmanagements finde laufend statt und werde künftig in einer Governance geregelt.

Nun will die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates Klarheit. Sie verlangt vom Bundesrat einen Bericht zum Abbruch des Projektes. Dieser soll bis Juni 2025 vorliegen.

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