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Neue Luftraumüberwachung Armee-Debakel: 300-Millionen-Projekt seit Monaten suspendiert

Das von der Armee eingekaufte neue System zur Überwachung des Luftraums und zur Leitung von Kampfjets liegt seit Monaten auf Eis. Dadurch steigt mit jedem Tag das Risiko, dass das veraltete System Florako ausfallen könnte. Das zeigen Recherchen von Radio SRF.

Es muss rund um die Uhr einsatzbereit sein, um Flugzeuge, Helikopter und Drohnen am Schweizer Himmel rechtzeitig erkennen zu können: Das System Florako der Schweizer Armee zur Überwachung des Luftraums. Über das gleiche System werden die Einsätze der Luftwaffe geführt. Seit 20 Jahren ist es in Betrieb und damit veraltet.

Für den Ersatz von zwei wesentlichen Florako-Teilsystemen mit den Namen Ralus und Lunas hat das Parlament mit der Armeebotschaft 2020 insgesamt 155 Millionen Franken bewilligt, damit die Armee das neue Produkt «SkyView» des französischen Rüstungskonzerns Thales beschaffen kann. Armeeintern läuft das Projekt unter dem Namen «C2AIR». Betrieben werden soll es über die geplante neue digitale Plattform der Armee mit zwei Rechenzentren, wovon erst eines gebaut ist.

Schon wenige Monate nach dem Entscheid des Parlaments sind allerdings Probleme aufgetaucht. Die Armee und das Bundesamt für Rüstung armasuisse haben die Integration von «SkyView» in die Rechenzentren massiv unterschätzt. Das Parlament hat mit der Armeebotschaft 2023 deshalb noch einmal 159 Millionen Franken genehmigen müssen.

«C2AIR» ist suspendiert

Jetzt decken Recherchen von Radio SRF auf, dass die Umsetzung des Projekts «C2AIR» bis heute nicht in Angriff genommen worden ist. Unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die Armee die Risiken des Projekts im Februar neu beurteilt und ist zum Schluss gekommen, dass sie zu gross sind, wie sie schriftlich bestätigt: «Im Rahmen der wiederkehrenden Risikobeurteilung hat der Programmleiter dem Auftraggeber im Programmausschuss vom 12. Februar beantragt, das Projekt C2AIR auf den Status ‘Suspend’ zu setzen».

Also «suspendiert». Dies bedeutet, dass die Arbeiten am Projekt angehalten worden sind, bis genügend Informationen über notwendige Anpassungen vorliegen, wie die Armee erläutert.

Die erneute Risikobeurteilung wies vor allem in der Abhängigkeit zwischen dem Produkt «SkyView» der Firma Thales und der neuen digitalen Plattform höhere Risiken auf.
Autor: Schweizer Armee

Im Lauf des Sommers hat eine Arbeitsgruppe fieberhaft versucht, «risikoärmere Varianten zu identifizieren», wie die Armee schreibt. Am 10. September hat die Gruppe ihre Resultate in einem «ausserordentlichen Programmausschuss-Meeting» präsentiert. Ein schwarzer Tag für die Armeeverantwortlichen. Sie haben zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Risiken nicht kleiner, sondern sogar noch grösser geworden sind.

«Die erneute Risikobeurteilung wies vor allem in der Abhängigkeit zwischen dem Produkt «SkyView» der Firma Thales und der neuen digitalen Plattform höhere Risiken auf», schreibt die Armee. Und weiter: «Die derzeit langen Lieferzeiten für IT-Ausrüstung beeinflussen das Projekt zusätzlich».

Finanzdelegation ist alarmiert

Der Programmausschuss hat deshalb im September entschieden: «C2AIR» muss «suspendiert» bleiben. Es werde nach Lösungen gesucht, gibt die Armee bekannt. Resultate erwarte sie bis Ende Jahr.

Darüber hat Armeechef Thomas Süssli vor zwei Wochen die sechsköpfige Finanzdelegation des Parlaments informiert, die das Projekt beaufsichtigt. Ihr Präsident, der Zuger Mitte-Ständerat Peter Hegglin, sagt: «Das ist auch die Information, die wir erhalten haben. Und im Rahmen dieser Information haben wir dann vom VBS natürlich zusätzliche Informationen einverlangt».

Mir machen alle Projekte Sorgen, bei welchen das Ampelsystem nicht mehr auf Grün, sondern Richtung Orange und Rot geht.
Autor: Peter Hegglin Ständerat, Präsident Finanzdelegation

Delegationspräsident Hegglin ist alarmiert: «Mir machen alle Projekte Sorgen, bei welchen das Ampelsystem nicht mehr auf Grün, sondern Richtung Orange und Rot geht». Sorgen macht der Finanzaufsicht vor allem, dass sich die Inbetriebnahme von «C2AIR» immer weiter nach hinten verschiebt.

Fünf Jahre Verspätung

Die Armee bestätigt: «Der aktuelle Stand der Analyse zeigt, dass sich der in der Armeebotschaft 2023 kommunizierte Zeitpunkt der Inbetriebnahme von «SkyView» per Ende 2027 wohl nicht einhalten lässt». Wobei die Armee ursprünglich eigentlich geplant hatte, 2025 zu starten. Mittlerweile geht die Armee von einem Projektende 2030 aus – also mit fünf Jahren Verspätung.

Bereits heute wäre ein Ausfall der Systeme möglich.
Autor: Schweizer Armee

Für die Luftwaffe eine äusserst ungemütliche Situation. Je länger die veralteten Systeme Ralus und Lunas weiterbetrieben werden müssen, umso grösser wird das Risiko, dass das ganze System wegen Überalterung ausfällt, wie die Armee bestätigt

Kampfjet.
Legende: Ein Kampfjet FA18 Hornet der Schweizer Luftwaffe bei einer gemeinsamen Luftüberwachungsübung mit Italien an der Südgrenze. Keystone/Dominic Favre

Der Programmausschuss habe deshalb Massnahmen in Auftrag gegeben, mit denen die Nutzung von Ralus und Lunas verlängert werden könne. Aktuell gehe man davon aus, dass das heutige System noch bis 2029 in Betrieb bleiben könne, schreibt die Armee.

Gleichzeitig muss sie eingestehen: «Bereits heute wäre ein Ausfall der Systeme möglich». Allerdings sei dies «sehr unwahrscheinlich». Es bestünden Massnahmen, die bei einem Ausfall zum Zuge kämen, damit die Luftwaffe weiterhin ihren Auftrag erfüllen könnte, betont die Armee. Um welche Massnahmen es sich handelt, gibt sie nicht bekannt.

Rendez-vous, 10.10.2024, 12:30 Uhr

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