- Prekäre Platzverhältnisse, zu wenig Betreuer, Gewalt und Anarchie: Vor einem Monat berichtete auch SRF über die mutmasslichen Missstände im Asylzentrum Lilienberg.
- Die Forderung linker und grüner Parteien nach Sofortmassnahmen und grundsätzlichen Verbesserungen drang im bürgerlich geprägten Kantonsrat jedoch nicht durch.
- Ein entsprechender Vorstoss wurde mit 113 Nein- zu 54 Ja-Stimmen abgelehnt.
Die Fronten im Zürcher Kantonsrat waren klar, und sie waren verhärtet. In eindringlichen Voten wandten sich linke Politikerinnen an ihre bürgerlichen Kollegen und Kolleginnen im Kantonsrat, trafen dort aber auf weitgehend taube Ohren. Auch beim zuständigen Sicherheitsdirektor Mario Fehr (parteilos).
«Das Kindswohl ist gefährdet»
Die Situation der sogenannten MNA (Mineurs non accompagnés) auf dem Lilienberg müsse sich rasch verbessern, forderten SP, Grüne und AL. «Das Kindswohl praktisch aller Bewohnenden ist gefährdet, das ist das Fazit der Lehrpersonen, welche die Kinder unterrichten», sagte zum Beispiel Leandra Columberg von der SP. Und fragte rhetorisch: «Wie lange wollen sie noch warten? Die Situation ist jetzt akut.» Es reiche nicht, jetzt einfach mal den Bericht der externen Untersuchung abzuwarten. Ausser der Eröffnung einer weiteren Aussenstelle würden keine Sofortmassnahmen getroffen.
Besonders stossend fanden die Vertreterinnen von AL, Grünen und SP, dass in den Zentren für MNA tiefere Standards gelten, als in anderen Kinder- und Jugendheimen. Das sei inakzeptabel. «Der Verdacht liegt nahe, dass auf dem Buckel dieser Jugendlichen Geld gespart werden soll», sagte Selma l'Orange Seigo (Grüne).
«Das Problem liegt nicht beim Kanton»
Ganz anders sahen dies Vertreterinnen und Vertreter von Mitte- und bürgerlichen Parteien. So sah Lorenz Habicher von der SVP die Schuld klar bei der Betreuungsorganisation AOZ (Asylorganisation Zürich). «Sie ist zu rasch gewachsen und unfähig, die Leistungsaufträge zu erfüllen.» Die Grünliberalen sahen zwar Handlungsbedarf, waren aber zufrieden damit, dass eine Untersuchung eingleitet wurde. Einen zusätzlichen Vorstoss brauche es nicht.
Der zuständige Regierungsrat Mario Fehr (parteilos) äusserte sich schliesslich ganz ähnlich. Den Vorstoss brauche man «wahrlich nicht». Bei der Anzahl der MNA hätte es einen starken Anstieg gegeben, das sei nicht von der Hand zu weisen. Die Einrichtungen, die MNA aufnehmen, seien stark gefüllt. Für alle Beteiligten im Asylwesen sei es zudem schwierig, genügend Personal zu finden. Man hätte die AOZ schon im März gebeten, eine neue Aussenwohngruppe zu eröffnen, sie sei demnächst betriebsbereit. «Wir sind selber darauf gekommen, dass wir etwas tun müssen», meinte Fehr.
Wir nehmen die Verantwortung wahr. Ihr Postulat brauchen wir dazu wahrlich nicht.
Man stelle sich den Herausforderungen und sei auch genügend selbstkritisch. Die externe Überprüfung des Berichts solle allen Vorwürfen auf den Grund gehen. Sollte etwas geändert werden, werde man das tun.
Seitenhieb Richtung Stadt
In seinem Votum empfahl Mario Fehr den Vertreterinnen und Vertretern der linken Ratsseite ausserdem, «vor der eigenen Türe zu wischen». Konkret sollten sie auf «ihre Verantwortungsträger in der Stadt» einwirken, damit die AOZ wieder voll funktionsfähig sei. Gemeint ist damit unter anderem Karin Rykart (Grüne), die als Sicherheitsvorsteherin der Stadt Zürich im Verwaltungssrat der AOZ sitzt.