Das Wichtigste in Kürze
- 3-Tagespässe grosser Open Airs sind in den letzten zehn Jahren im Schnitt 36 Prozent teurer geworden. Beim Gurtenfestival stiegen die Preise im selben Zeitraum gar um 74 Prozent.
- Veranstalter machen für die Preissteigerung höhere Kosten für Infrastruktur und Gagen verantwortlich.
- Verlangten Headliner am Gurten vor fünf Jahren noch 250‘000 Euro, sind es heute schon 500‘000 Euro.
- Ein Grund für die teureren Gagen ist der massiv eingebrochene Absatz bei den Tonträgern.
Vom Paleo-Festival, über das Gurten-Festival bis ans Open Air St. Gallen. «Kassensturz» hat die Eintrittspreise der grössten Schweizer Open-Air-Festivals über die letzten zehn Jahre unter die Lupe genommen. Verglichen wurden die Preise der 3-Tagespässe. 2008 kostete ein solcher an einem Open Air durchschnittlich noch 162 Franken. Zehn Jahre später, also diesen Sommer, bereits 220 Franken. Das ist eine Erhöhung um 36 Prozent.
Und dieser eindeutige Trend erntet Kritik in den sozialen Medien: «Für das Geld, das so ein Wochenende kostet, mache ich lieber eine Woche Ferien» oder «20 Prozent mehr Gehalt hatte ich in zehn Jahren nicht», dies nur zwei von vielen Kommentaren auf der Facebook-Seite des Gurtenfestivals.
10-Jahres-Vergleich für einen 3-Tages-Pass:
* Für das Paleo-Festival 2018 sind keine Dreitages-Pässe erhältlich. Für den Vergleich hat «Kassensturz» drei Eintages-Karten addiert.
Gurten-Festival am teuersten
Das Open Air auf dem Berner Hausberg verzeichnet den markantesten Preisanstieg. 2008 kostete ein 3-Tagespass noch 155 Franken. Dieses Jahr sind es 270 Franken – satte 74 Prozent mehr. Festival-Sprecher Simon Haldemann rechtfertigt den Preisanstieg: «In den letzten zehn Jahren ist im Festivalbereich viel passiert. Einerseits sind die Infrastruktur-Kosten gestiegen, andererseits sind die Gagen der Künstler angestiegen.»
In den letzten zehn Jahren ist im Festivalbereich viel passiert. Einerseits sind die Infrastruktur-Kosten gestiegen, andererseits sind die Gagen der Künstler angestiegen.
Haldemann spricht von einer Verdopplung der Künstler-Gagen. Headliner – also die grossen Namen – kosteten mittlerweile eine halbe Million Euro. Zudem würden die Shows der Bands immer aufwändiger: «Die Headliner-Bands kommen nicht mehr mit drei LKWs, sondern mit sechs Sattelschleppern. Und diese müssen im Tal unten auf kleinere Lastwagen verladen werden, damit wir das Material auf den Gurten transportieren können. Das ist mit extremen Kosten verbunden», sagt Haldemann. Und diese Kosten wiederum müssten auf die Tickets umgewälzt werden.
Veränderung in der Musikindustrie
Sind am Ende die Musiker die Blutsauger, die die Ticketpreise in die Höhe treiben? Gegen diesen Vorwurf wehrt sich Büne Huber, Sänger der Band «Patent Ochsner»: «Die meisten Bands müssen heute ihr Geld mit Live-Auftritten verdienen, weil die Leute zwar ihre Musik konsumieren, aber sie bezahlen oft nichts mehr dafür.» Eine Album-Produktion rechne sich heute kaum mehr. Vielmehr sei ein Album ein Transportmittel um auf Tournee zu gehen.
Die Zahlen der Schweizer Musikindustrie beweisen: Seit Jahren gehen die Einnahmen mit CDs, Downloads und Schallplatten zurück. Nun scheint immerhin der freie Fall gebremst – dank guten Streaming-Zahlen. Gleichzeitig ist der Umsatz der Konzertveranstalter in den letzten Jahren konstant gestiegen. Und stagniert nun auf hohem Niveau.
«Früher haben wir 80’000 CDs verkauft», sagt Büne Huber: «Mit diesem Geld konnten wir Rückstellungen machen und eine neue Produktion finanzieren und davon leben. Heute müssen wir davon leben und irgendwie Geld auf die Seite legen, damit wir unabhängig ein neues Album realisieren können – und das geht im Moment nicht», sagt Büne Huber.
Ich sehe steigende Preise und immer mehr Festivals. Und beides zusammen ist einfach zu viel.
Hohe Preise – harziger Ticket-Verkauf
Auch andere Festivals verzeichnen einen deutlichen Anstieg der Eintrittspreise. Die 3-Tagespässe des Open Airs St. Gallen und des Open Airs Frauenfeld sind in den letzten zehn Jahren 50 Prozent teurer geworden.
Auffallend: Waren das Gurten-Festival oder auch das Open Air St. Gallen in den Vorjahren bereits monatelang im Voraus ausverkauft, bleiben die Veranstalter dieses Jahr auf den Tickets sitzen. Dies überrascht den langjährigen Konzertveranstalter André Béchir nicht. Er beobachtet eine gewisse Übersättigung. «Ich sehe steigende Preise und immer mehr Festivals. Und beides zusammen ist einfach zu viel. Die Leute haben die Qual der Wahl, praktisch jedes Dorf hat mittlerweile ein Open Air.» Auch Tickets für Hallenkonzerte liessen sich nicht mehr so gut verkaufen wie in den Vorjahren.
Steigende Infrastruktur- und Sicherheitskosten, mehr Konkurrenz von anderen Festivals. Aber auch die Gratismentalität vieler Konsumenten: Die Festivalbesucher müssen sich wohl damit abfinden, dass die Preise weiter steigen.