Ein kleiner Kellerraum in Zürich, am Rand liegen Gewichte. In der Mitte des Raums ein schwitzender Bischof in enger Sportbekleidung und Handschuhen. Der 72-jährige Joseph Bonnemain ist beim Brustmuskeltraining: Bankdrücken mit der Langhantel. Der Bischof von Chur stemmt die Gewichte in die Luft. Serien zu zehn Wiederholungen. Er geht ans Limit.
Muskelmann Gottes
«Der Körper ist ein Werkzeug Gottes und dieses Werkzeug muss in Form sein», sagt Bonnemain, nachdem er die Hantel wieder abgelegt hat. Die Welt und die Menschen zu lieben, bedeute auch, sich fit zu halten. Der Bischof ist überzeugt: «Jesus hätte das Kreuz nicht tragen können, wenn er durch seine Arbeit als Zimmermann nicht gut trainiert gewesen wäre.»
Wir fragen Bonnemain, ob er als Bischof bald auch ein Kreuz zu tragen habe. Denn Bonnemain übernimmt ein zerstrittenes Bistum. Er lacht: «Bis jetzt ist die Sache relativ mild, aber vielleicht kommt dann der Moment, wo es schwieriger wird. Und dann hilft es, gut trainiert zu sein.»
Gespaltenes Bistum
Joseph Bonnemain wurde am vergangenen Freitag zum neuen Bischof von Chur geweiht. Er ist mit grossen Erwartungen konfrontiert. Nach Jahren des Streits und der Polarisierung, unter anderem durch den traditionalistischen Bischof Vitus Huonder, muss er ein tief gespaltenes Bistum wieder vereinen.
Progressive Katholiken sehen Bonnemain als Hoffnungsträger. Dies, obwohl er Mitglied der konservativen kirchlichen Vereinigung Opus Dei ist. Kritiker bezeichnen Opus Dei als undurchsichtigen, elitären Machtzirkel – ein Vorwurf, den Opus Dei zurückweist.
Freude statt Selbstkasteiung
Die kirchliche Vereinigung gab auch wegen Praktiken der Selbstkasteiung zu reden. Zum Beispiel das Tragen von sogenannten Bussgürteln – ein störendes Metallband, das stundenweise am Arm oder am Bein getragen wird.
Auch Bonnemain hat früher einen Bussgürtel getragen. Mittlerweile setze er auf andere Formen der Selbstkasteiung, sagt er und lacht. «Meine einzige Züchtigung sind die Kraftmaschinen.»
Macht das harte Muskeltraining dem Bischof aber auch Freude? «Ja», sagt er. «Wenn man spürt und feststellt, dass die Muskulatur wächst. Und dass du nach und nach mehr Gewicht stemmen kannst, macht das natürlich Freude.» Vielleicht spiele da auch etwas Stolz und Eitelkeit mit, fügt der Bischof noch an.