Als neuer Bischof von Chur ist Joseph Maria Bonnemain mit grossen Erwartungen konfrontiert. Er muss ein tief gespaltenes Bistum einen, den traditionelleren Flügel in Chur mit dem progressiveren Flügel in Zürich versöhnen. Die Zürcher Katholikinnen und Katholiken hoffen, endlich einen zweiten Bischofssitz zu bekommen.
Darauf angesprochen sagt der 72-Jährige in der Samstagsrundschau von Radio SRF: «Das sage ich seit 25 Jahren: Der Bischof sollte dort sein, wo die Mehrheit der Männer und Frauen des Bistums wohnen und leben.» Er selber pendelt schon seit 40 Jahren fürs Bistum zwischen Zürich und Chur hin und her, wobei sein Hauptwohnsitz bisher in Zürich war.
Zweiter Bischofssitz in Zürich?
Jetzt könnte er den zweiten Bischofssitz vorantreiben. Doch er beschwichtigt: «Die Diözese braucht nicht zwingend einen zweiten Bischofssitz – sondern einen Bischof, der überall sitzt!» Wichtiger ist seines Erachtens die Frage, ob Zürich eine Konkathedrale bekommt, also eine offizielle Leitungsstelle, wie es sie bisher nur in Chur gibt. Hierzu sagt er: «Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine Zürcher Kirche mit der Zeit eine Konkathedrale werden könnte.»
Will er das noch in seiner 5-jährigen Amtszeit als Churer Bischof erreichen? Bonnemain: «Es würde mich freuen, wenn das stattfände, bevor ich mich dann zurückziehen werde.» Aber: «Das ist nicht die erste Priorität!» Er will sich nämlich nicht primär mit der Institution befassen und mahnt auch den Zürcher Flügel, sich nicht mit sich selbst und dieser Frage der institutionellen Aufwertung zu beschäftigen. Es gelte, die Menschen ins Zentrum zu stellen. Seine Botschaft an die Zürcherinnen und Zürcher bezüglich Konkathedrale ist dann aber doch: «Ich werde mich mit der Zeit dafür einsetzen.»
Zögern bei Personalentscheiden
Joseph Bonnemain kann als neuer Bischof von Chur zentrale Positionen im Bistum neu vergeben, etwa Generalvikare ernennen: «Das Wichtigste, das ich brauche, ist ein Team, das meine Vision mit mir teilt.» Die Leute in seinem Team müssten keineswegs alle gleich ticken, betont Bonnemain. Aber die gemeinsame Vision sei wichtig: Die Kirche sei für die Menschen da, nicht umgekehrt.
Bleibt die Frage, wie er mit seinen Gegnern vor Ort umgehen wird: Mit mächtigen Würdenträgern, die sich gegen ihn als Bischof gestellt hatten. Joseph Bonnemain streckte die Hand zur Versöhnung aus und lud auch sie zur Bischofsweihe ein. Doch mehrere blieben demonstrativ fern. Darauf angesprochen sagt Bonnemain: «Ich denke, dass sie vielleicht ein bisschen mehr Zeit brauchen. Aber die Hand bleibt ausgestreckt.»
Frauen ins Priesteramt?
Während der Bischofsweihe setzte Bonnemain zahlreiche Frauen für wichtige Funktionen ein und machte sie so sichtbar. «Sie sind mehr als die Hälfte des Bistums, und was sie beitragen ist viel wichtiger als das, was die Männer beitragen», so seine Begründung.
«Die Frauen sollten überall mitwirken und mitentscheiden können», sagt er, obwohl in der katholischen Kirche zahlreichen Ämter und Funktionen noch immer den Männern vorbehalten sind. «Genau deshalb haben wir noch Nachholbedarf!».
Auf die Frage, ob er sich also auch Priesterinnen vorstellen könnte, weicht er aus und verweist auf Rom: Als Bischof wolle er die Haltung des Papstes mittragen. Dieser wolle Schritte in die richtige Richtung tun: «Es braucht eine starke Entwicklung: Wir sind mitten in einem Prozess.» Und weiter: «Ich möchte mit dem Papst diesen Prozess mitgehen, aber ohne die Grenzen zu überspringen, die er je nachdem setzt.»