Im Büro von Jason Toko riecht es förmlich nach Zahlen. Hier laufen die Daten über Hospitalisationen, Intensivbehandlungen oder Todesfälle am Universitätsspital Genf (HUG) herein.
Er programmiert ein System, das in Echtzeit einen Überblick über Grippe-, Corona- und Erkrankungen mit dem RS-Virus bietet. «Wir haben jetzt eine komplett automatisierte und sehr anpassungsfähige Lösung», sagt der Informatiker. Früher – also während der Pandemie – habe es einen manuellen Teil gegeben, bei dem ein Team die Daten manuell eingeben musste.
Wir starten einen Blindflug, wenn wir nicht wissen, wie viele Leute schwer erkranken, auf Intensivstationen liegen oder sterben.
So arbeite man Hand in Hand. Und das Ziel, den Angestellten so viel Zeit wie möglich zu ersparen, um effizienter und effektiver zu werden, sei erreicht, betont Toko. «Das bedeutet auch, dass man schneller bei den Patienten ist und manchmal sogar Leben retten kann.»
Genf in einer Vorreiterrolle
Professor Stephan Harbarth setzt grosse Hoffnungen in Tokos Projekt. Der Infektiologe bedauert sehr, dass das Bundesamt für Gesundheit (BAG) Ende August das schweizweite Spitalmonitoring von Grippe- und Corona Erkrankungen einstellte. «Wir starten einen Blindflug, wenn wir nicht wissen, wie viele Leute schwer erkranken, auf Intensivstationen liegen oder sterben.»
Mit dem automatisierten Monitoring möchte der Chefarzt der Spitalhygiene am HUG eine Vorreiterfunktion einnehmen, wie sie das Universitätsspital bereits vor 20 Jahren mit dem Vorgängermodell innehatte.
Die Schweiz ist eine Wüste, was die Erhebung und Nutzung von Gesundheitsdaten angeht. SRF hat sich unter Spezialisten umgehört. Fehlende Digitalisierung, Kantönligeist, Furcht vor dem Überwachungsstaat und der geringe Stellenwert von Prävention verhindern eine breite und gezielte Nutzung von Gesundheitsdaten.
Damit hinkt die Schweiz Ländern wie etwa Grossbritannien oder Dänemark um Jahre hinterher. Dabei wäre die Erhebung von Daten wichtig als Frühwarnsystem und Planungsgrundlage.
Ohne das BAG läuft nichts
Professor Harbarth hofft nun, dass sich andere Spitäler seinem verbesserten System anhängen. «Es wäre natürlich sehr wichtig und vorteilhaft, dass wir jetzt mit unserem System die anderen Spitäler auch wieder reinholen.» Eine handvoll Spitäler wäre schon viel besser als gar keine.
Eine solide schweizweite Lösung und eine zentrale Auswertung von Daten seien aber ohne das BAG wegen Datenschutzfragen nur schwer vorstellbar.
Das BAG lässt in einer Stellungnahme durchblicken, dass es auch nicht glücklich ist über das Aus des schweizweiten Spitalmonitorings.
In einer schriftlichen Stellungnahme weist es darauf hin, dass es sich um ein befristetes Monitoring gehandelt habe, das aus finanziellen Gründen und «insbesondere aufgrund der beschränkten Automatisierung und des hohen Ressourcenbedarfs» nicht weitergeführt werden könne.
Moderne, nationale Plattform «Digisanté» geplant
Laut BAG ist aber nun geplant, im Rahmen des Programms Digisanté eine «moderne, nationale Plattform für die Überwachung und Meldung übertragbarer Krankheiten zu schaffen». Die Revision des Epidemiengesetzes soll dafür bis in ein paar Jahren die rechtliche und finanzielle Grundlage schaffen. Gut möglich, dass das Programm vom Jason Toko am HUG dem Bund als Vorlage für die nationale Plattform dienen wird.