Die Ukraine braucht neue Munition für ihre Flugabwehrpanzer des Typs Gepard. Deutschland hat die benötigten Panzergeschosse, darf sie aber nicht in die Ukraine liefern, weil sie aus der Schweiz stammen. Der «Tagesanzeiger» und der «Spiegel» berichteten diese Woche, die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht habe ihre Schweizer Amtskollegin Viola Amherd in einem Brief darum gebeten, die Munition doch noch in die Ukraine exportieren zu dürfen.
Lambrecht argumentiert, die Ukraine benötige die Munition dringend, um Getreideexporte zu schützen und so eine Hungersnot in Asien und Afrika zu verhindern. Swisspeace-Direktor Laurent Goetschel bezweifelt, dass die Getreideexporte von Schweizer Munition abhängen: «Ich sehe das viel eher als politisch motivierte Anfrage und auch als Druckversuch an die Adresse der Schweizer Politik.»
Gesuch im Juni abgelehnt
Mit dem Brief von Lambrecht klopft Deutschland bereits das zweite Mal in der Schweiz an. Ein ähnliches Gesuch hat der Bundesrat im Juni abgelehnt. Mit dem Kauf von Schweizer Munition hat sich Deutschland in der sogenannten Nichtwiederausfuhr-Erklärung verpflichtet, das Material nicht ohne Genehmigung in ein weiteres Land zu exportieren. Die Wiederausfuhr in die Ukraine sei nicht mit der Neutralität vereinbar, beschied der Bundesrat.
«Diese Situation zeigt die Absurdität unserer Gesetzgebung», sagt FDP-Parteipräsident Thierry Burkart. «Deshalb braucht es eine Anpassung.» Burkart reichte einen entsprechenden Vorstoss im Parlament ein. Darin verlangt er, dass bestimmte Länder, welche ähnliche Werte und Exportregimes wie die Schweiz kennen, Waffen und Munition weiterexportieren dürfen.
Die Sicherheitskommission des Ständerats hat sich diese Woche damit befasst. Sie habe «ein Türlein offengelassen und will abklären, ob es neutralitätsrechtlich möglich wäre, eine Anpassung zu machen», sagt Kommissionspräsident Werner Salzmann (SVP/BE).
Nur künftige Waffenkäufe betroffen
Nur: Auch wenn Burkarts Vorstoss Mehrheiten fände, dürfte Deutschland die schon gekaufte Munition nicht weitergeben. Denn neue Regeln gälten nur für künftige Waffenkäufe. Das räumt auch Burkart ein.
Auch Salzmann sagt, es gehe um eine generelle Lösung, keine «Lex Ukraine». Die Ukraine könnte höchstens profitieren, wenn der Ukraine-Krieg noch so lange dauere, bis das Parlament allenfalls eine Änderung beschlossen hätte – und dann ein Land wie Deutschland in der Schweiz neue Munition kaufen würde.
«Die Diskussion wurde von der Ukraine-Frage angestossen, aber primär geht es um die Stärkung der inländischen Rüstungsindustrie», sagt Salzmann. Westliche Staaten könnten auf Schweizer Waffen verzichten, wenn sie diese in einem Fall wie des Ukraine-Krieges befreundeten Staaten auf keinen Fall weitergeben dürfen.
Auch Motionär Burkart räumt ein, dass dieser Aspekt mitspiele. «Es ist tatsächlich so, dass auch unsere Industrie dadurch gestärkt werden könnte.» Die Kommission wird sich Anfang des nächsten Jahres erneut mit dem Dossier befassen.