Die Mehrwertsteuer-Initiative ist vom Tisch. 71,5 Prozent der Stimmbürger und alle Stände haben sie abgelehnt. Für den Initianten, den Branchendachverband Gastrosuisse, eine Enttäuschung. Das Nein sei deutlicher gewesen als erwartet, sagt Casimir Platzer, Präsident von Gastrosuisse. Dies, obwohl sich die Wirte stark gegen die von ihnen als Diskriminierung empfundenen Mehrwertsteuersätze engagiert hätten. «Viele Stimmbürger haben bis vor kurzem gar nicht gewusst, dass es mehrere Mehrwertsteuersätze für Lebensmittel gibt.»
Nicht eine einzelne Branche bevorzugen
«Die Angstmacherei der Gegner» wie Platzer sagt, dass Brot und Butter teurer würden, wäre sicher nicht eingetreten. Und trotzdem habe dieses Argument offenbar gefruchtet. In den letzten zwanzig Jahren habe sich die Situation für die Wirte stark verändert. «Uns ging es nicht um einen tieferen Satz», sagt Platzer, «uns ging es um Gleichbehandlung».
«In Anbetracht dessen, dass Gastrosuisse zum ersten Mal eine nationale Kampagne aus eigenen Kräften und Mitteln geführt hat und in Anbetracht dessen, dass die Gegner der Initiative vor allem mit Angstmacherei und Drohungen agiert haben, ist das Ergebnis trotz verlorener Abstimmung achtbar», betont Casimir Platzer. Gastrosuisse werde nun überlegen, welche anderen politischen Mittel ergriffen werden können, um die Beseitigung der Mehrwertsteuer-Ungerechtigkeit zu beenden.
Dass die Wirte diskriminiert würden, sieht Prisca Birrer-Heimo, Nationalrätin (SP/LU) und Konsumentenschützerin, nicht. «Die Konsumenten wissen ganz genau, dass es ein Unterschied ist, ob ich bei einem Take-away etwas mitnehme, oder ob ich mich in ein Restaurant setze.»
Die Leute hätten nicht goutiert, dass eine Branche bevorzugt behandelt werden wollte, so Birrer-Heimo. Und es sei ihnen im Abstimmungskampf klar geworden, «dass irgendwer, sprich die Konsumenten, die Zeche hätten bezahlen müssen».
Einheitssatz für alle Branchen?
Auch der Zürcher FDP-Nationalrat Ruedi Noser war gegen die Vorlage. Er fordert nach dem klaren Nein eine Diskussion über einen Einheitssatz für die Mehrwertsteuer über alle Branchen hinweg. «Das wäre die gerechte Lösung.»
Die FDP fordere seit langem tiefe Steuern für alle und ein vereinfachtes Steuersystem. Die Gastro-Initiative hätte diesem Anliegen nicht entsprochen, sagte Noser. «Zur Debatte stand ein Partikularinteresse der Wirte.» Diese seien aber nicht die Einzigen, die unter einer hohen Besteuerung litten.
Ähnlich sieht dies auch Nationalrat Beat Flach (GLP/AG). Auch mit aller Sympathie für die Restaurateure könne man nicht mit einer halben Idee kommen, sagt er im Interview mit SRF. Man könne nicht auf 750 Millionen Franken Einnahmen verzichten, ohne zu sagen, wo man diese wieder hereinhole. Die GLP befürworte einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz für alles, was man verbrauche. Zudem hat die Partei eine Initiative lanciert, in welcher sie verlangt, die Mehrwertsteuer ganz auszusetzen und durch eine Steuer auf «schmutziger Energie» zu ersetzen.
Nachteile für Konsumenten
Auch die BDP kündigte nach dem Nein zur Gastro-Initiative an, einen Einheitssatz zu unterstützen. «Wir werden in der Wintersession einen Vorstoss einreichen», liess sich Generalsekretärin Nina Zosso in einem Communiqué zitieren.
Die SP freut sich ebenso über das Nein. Die Initiative habe die Einzelinteressen der Gastronomie-Branche bevorzugen wollen. Die Konsumenten hätten bei Annahme der Vorlage keine Vorteile gehabt – im Gegenteil. Dadurch, dass die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel hätte angehoben werden müssen, wäre ein Nachteil für die Konsumenten entstanden, was für die SP nicht akzeptabel sei.
Das entspricht auch der Ansicht der EVP. Die Initiative hätte ein Millionenloch in die Bundeskasse gerissen und neue Ungerechtigkeiten geschaffen, schreibt die Partei in einer Mitteilung. «Die Senkung des Steuersatzes für Gastronomiebetriebe hätte theoretisch eine Einsparung für den Kunden bei einem Restaurantbesuch bedeuten können.» Viel wahrscheinlicher wäre jedoch gewesen, dass der Konsument am Schluss schlechter dagestanden wäre als bisher. Denn die Ausfälle der Steuereinnahmen hätten vom Bund kompensiert werden müssen.