Notar, Rechtsanwältin, Jurist, Advokat, Verwaltungsrätin, Unternehmer. Auf der Homepage des Parlaments müssen alle National- und Ständerätinnen und -räte ihren Beruf angeben. Doch das ist mehr Schein als Sein. Denn neben der Parlamentsarbeit bleibt nicht viel Zeit für einen Beruf. «Es entspricht einem 70 bis 80 Prozent Pensum», sagt etwa SP-Ständerätin Pascale Bruderer.
Zeiten des Jassclubs sind vorbei
Sie hat als Beruf Unternehmensberaterin angegeben. Aber seit sie im Ständerat politisiert, übt sie diese Tätigkeit kaum mehr aus. «Die Belastung ist hoch. Die Zeiten, als es noch einen Jassclub gab, um die Pausen in der Wandelhalle tot zu schlagen, sind vorbei», sagt Bruderer. Die Beratungen seien zahlreich, die Geschäfte komplex.
Aber nicht nur die Sessionswochen sind intensiv, auch in den Wochen dazwischen sind die Parlamentarier und Parlamentarierinnen mit Kommissionssitzungen, Aktenstudium oder Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt.
Die Parlamentsarbeit nimmt nicht nur den Grossteil der Zeit in Anspruch, sie ist auch die Haupteinnahmequelle von Pascale Bruderer. «Ich verdiene etwa 120’000 Franken netto.» Das entspreche 85 Prozent ihres Einkommens. Genau wisse sie es nicht, da das Einkommen je nach Anzahl der Sitzungen und Ämter variiere.
Keine Berufspolitikerin
Als Profipolitikerin will sich Pascale Bruderer nicht bezeichnen: «Ich habe zu viele Engagements neben der Politik, als dass ich mich als Berufspolitikerin sehen würde.» Pascale Bruderer ist unter anderem Präsidentin von Inclusion Handicap, dem Dachverband aller Behindertenorganisationen, sie ist an einem Startup beteiligt und doziert an der Universität Basel.
Dass sie keine Berufspolitikerin sein will, liege auch daran, dass sie stets an die Zeit nach der Politik gedacht habe: «Es war mir immer wichtig, noch andere Standbeine zu haben. Das gibt mir Unabhängigkeit.»
Festhalten am Mythos
Das Beispiel von Pascale Bruderer zeigt, dass Politik längst zu einem hochprofessionellen Geschäft geworden ist, das volle Aufmerksamkeit erfordert und wenig Platz für anderes lässt. Aber obwohl das eidgenössische Parlament längst kein Milizparlament mehr ist, hält die Schweiz daran fest. Weshalb?
Zum einen wird der Milizgedanke in den Kantonen und Gemeinden tatsächlich noch gelebt. Zwar besteht dort oft das Problem, dass es zu wenige Kandidaten oder Kandidatinnen für die freien Ämter gibt, aber wenn ein Amt besetzt wird, dann meist im Nebenamt oder gar ehrenamtlich.
Alles bloss Nostalgie?
Dass auch das eidgenössische Parlament nach wie vor als Milizparlament betrachtet wird, hat historische Gründe. 1848 wurde es als solches gegründet. Die Sitzungen dauerten damals gerade mal von 9 bis 14 Uhr. Erst in den 1970er-Jahren wurde das Prinzip der Ehrenamtlichkeit ganz verabschiedet.
Weitere Anpassungen erfolgten in den frühen 1990er-Jahren. Die ständigen Kommissionen wurden eingeführt und die Entschädigungen erhöht. Damit wurde anerkannt, dass eine Professionalisierung unumgänglich ist, dennoch wurde eine umfassende Revision des Systems in einer Volksabstimmung in den 1990er-Jahren klar abgelehnt. Das Volk wollte das Milizsystem nicht abschaffen.
Gutes Marketing
Dass der Milizgedanke in der Schweizer Bevölkerung nach wie vor stark verankert ist, zeigte jüngst eine Volksabstimmung in Bulle: Das Stimmvolk lehnte die Einführung vollamtlicher Gemeinderäte ab.
Und schliesslich, resümiert der Politikwissenschaftler Pirmin Bundi, sei das Festhalten am Milizparlament auch im Sinne der Politikerinnen und Politiker. «Milizparlament – das suggeriert zugleich Bürgernähe und Nähe zur Wirtschaft.» Somit sei das Festhalten am Milizparlament vor allem eines: Marketing.