SRF News: Doris Fiala, haben Sie sich schon damit abgefunden, dass der nächste FDP-Bundesrat wohl ein Mann sein wird?
Doris Fiala: Ich denke, man muss auch ein bisschen schlau sein und taktisch überlegen. Wenn man Strategin ist und für die Frauen etwas erreichen will, gilt das in grossem Masse. Und da kann ich Ihnen sagen, dass es in den nächsten Jahren noch einen zweiten freien Bundesratssitz geben wird.
Heute steht vielleicht die lateinische Schweiz im Vordergrund. Insbesondere das Tessin hat viele Jahre keinen Bundesrat gehabt. Deswegen finde ich diese Forderung mehr als berechtigt. Es ist wichtig, dass das Tessin im Bundesrat eingebunden ist. Und vor allem hat man dann gute Argumente, wenn man in naher Zukunft auf eine Frauenkandidatur drängen möchte.
Was ist der Grund, dass diesmal der Ruf nach einer Frau nicht so stark ist wie in früheren Jahren, obwohl Frauen im Bundesrat untervertreten sind?
Ich denke, dass es tatsächlich mit dem Tessin zu tun hat. Nun könnte man natürlich sagen, dass es auch im Tessin profilierte, intelligente Frauen bei der FDP gibt, denken Sie etwa an Laura Sadis. Aber das ist nicht der Punkt, denn wir müssen im Moment strategisch denken: Soll es die lateinische Schweiz sein oder nicht? Und dann in einem nächsten Schritt können Sie mit mir als Präsidentin der FDP Frauen rechnen, dass Frauen gefördert werden und dass sie sich auch durchsetzen.
Aber es werden ja auch in der Westschweiz Namen genannt, zum Beispiel Nationalrätin Isabelle Moret (VD) oder Regierungsrätin Jacqueline de Quattro (VD). Dennoch scheint deren Wahl doch recht unwahrscheinlich?
Gestern habe ich im SRF Isabelle Moret lanciert. Sie ist eine sehr enge Verbündete, eine ganz phantastische Nationalrätin. Jacqueline de Quattro kenne ich persönlich sehr gut, sie ist eine sehr profilierte Frau. Aber es könnte sein, dass jetzt die Einbindung des Tessins einfach von grösserer Bedeutung ist.
Noch ein Wort zur nächsten Runde, wie sie das nennen: Das wäre dann aller Voraussicht nach der Rücktritt von FDP-Bundesrat Johann Schneider-Ammann. Wäre da die Ständerätin Karin Keller-Suter (SG) eine mögliche Nachfolgerin?
Keller-Suter ist sicher eine ganz grosse Favoritin, das ist ein offenes Geheimnis. Aber auch sie hat sich heute im SRF dazu bekannt, dass jetzt die Runde für die lateinische Schweiz eingeläutet ist. Ich bin darum sehr glücklich, sagen zu können: Wir haben kein Frauenproblem und wir werden die Frauen finden, die für die nächste Runde oder natürlich auch für diese Runde in Frage kommen. Aber ich denke, wir lassen jetzt der Partei etwas Freiheit und lassen etwas Zeit verstreichen und die Emotionen sich setzen.
Für mich ist matchentscheidend – und da möchte ich Bundesrat Berset zitieren – dass wir die Provinz nicht als einen Ort verstehen, sondern als eine geistige Haltung. Als Freisinnige ist für mich natürlich wichtig, dass wir eine Persönlichkeit mit diesem Geist finden, als Nachfolger oder Nachfolgerin von Didier Burkhalter. Ein Bundesrat, der in höchstem Masse diese Offenheit, dieses vernetzte und internationale Denken, die Friedensförderung und all seine Verdienste verinnerlicht hat.
Das Gespräch führte Roger Aebli.