Der 27. September. Das Datum markiert eine Tragödie, welche die ganze Schweiz erschütterte. An diesem Tag im Jahr 2001 tötete ein Attentäter im Zuger Kantonsratssaal 14 Politikerinnen und Politiker.
Die Tat erschütterte auch den bisherigen Glauben an den Umgang zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Politik. Der Täter hatte sich im Vorfeld langwierige Auseinandersetzungen mit den Behörden geliefert. Und so stellte man sich – nicht nur in Zug – die Frage: Wie soll so eine Tragödie künftig verhindert werden können?
Polizeischutz und Prävention
Ein Ansatz: stärkerer Polizeischutz. Viele Parlamente sind seit dem Attentat ständig von Polizistinnen und Polizisten überwacht. In Zug setzte der Kanton neben der Bewachung aber auch auf einen präventiven Ansatz und schuf eine Ombudsstelle. An diese können sich Bürgerinnen und Bürger wenden, wenn sie sich von den Behörden ungerecht behandelt fühlen.
Aktuell ist Bernadette Zürcher die Ombudsfrau des Kantons. Auf ihrem Bürotisch landen diverse Anliegen: So stört sich etwa ein Landwirt an den Auflagen für sein Bauprojekt, eine Arbeitslose fühlt sich vom RAV unter Druck gesetzt oder Eltern werfen der Schule vor, sie nehme Mobbing-Vorfälle gegen ihren Sohn nicht ernst.
Ich nehme die Stimmung wahr, ob sie aggressiv sind oder nicht.
Die Ombudsfrau hört den Menschen zuerst zu, nimmt ihre Anliegen ernst: «Schon nur diese Intervention kann deeskalierend wirken», sagt Bernadette Zürcher. Wichtig sei das direkte Gespräch mit den Betroffenen: «Ich nehme die Stimmung wahr, ob die Leute aggressiv sind oder nicht. Das Bild ist viel kompletter, wenn ich sie persönlich sehe.»
Bernadette Zürchers Aufgabe ist es, zu vermitteln. Sie ist nicht dafür da, für die eine oder andere Seite Partei zu ergreifen. Einerseits prüft sie, ob die Ratsuchenden von der Verwaltung korrekt behandelt wurden. Andererseits jedoch soll sie auch die Verwaltung vor unrechtmässigen Vorwürfen schützen.
Um neutral sein zu können, ist die Distanz zur Verwaltung besonders wichtig. Um dies zu gewährleisten, wird die Ombudsfrau durch das Parlament gewählt und ihr Büro ist in einem anderen Stadtteil als die Kantonsverwaltung. Sie selbst wohne nicht einmal im Kanton Zug, fügt Bernadette Zürcher an: «Auch die persönliche Unabhängigkeit muss gegeben sein.»
Die Fallzahlen steigen an – nicht nur in Zug
175 Personen haben sich letztes Jahr mit einem Anliegen an die Zuger Ombudsfrau gewandt – deutlich mehr als in den Jahren zuvor. Und damit sei der Kanton nicht allein, sagt Bernadette Zürcher, die auch Präsidentin der Vereinigung der Ombudspersonen der Schweiz ist. Die Fallzahlen stiegen auch andernorts.
Sie führt dies auch auf die Pandemie zurück – auch wenn es bei den allermeisten Fällen nicht direkt um Einschränkungen wegen Corona gehe. Die Leute seien aber schneller verunsichert und unzufrieden.
Durch eine Ombudsstelle signalisiert ein Kanton die Bereitschaft, das eigene Handeln kritisch zu hinterfragen.
Für Bernadette Zürcher ist klar: Gerade in solchen Zeiten ist Vermittlung und Kommunikation wichtig. Allerdings gibt es nur gerade in sieben Kantonen und sechs Städten der Schweiz Ombudsstellen. Zu wenige, findet die oberste Schweizer Ombudsfrau: «Durch eine Ombudsstelle signalisiert ein Kanton die Bereitschaft, das eigene Handeln kritisch zu hinterfragen. Das kann nur ein Gewinn sein.»