Verteidigungsministerin Viola Amherd sagte es nach der Kampfjet-Abstimmung bewusst auf Französisch, damit sie die Romands auch ganz bestimmt verstehen: Sie wolle in der Westschweiz künftig noch besser erklären, dass die Armee für die ganze Bevölkerung wichtig sei. Wie das gehen soll, müsse zuerst analysiert werden. Beim VBS wollte sich dazu auf Anfrage noch niemand äussern.
Studie zum Bild der Armee in der Gesellschaft
Klar ist, dass es nicht einfach wird. Das zeigt auch die neuste, kürzlich erschienene Studie «Sicherheit 2020» der Militärakademie und des Zentrums für Sicherheitsstudien an der ETH Zürich. Laut dem Militärsoziologen und Mitautor Tibor Szvircsev Tresch besteht der grösste sprachregionale Unterschied in der Frage, wie die Armee in der Gesellschaft angesehen wird.
«Der entscheidende Unterschied ist der Stellenwert, der der Armee beigemessen wird. Ist sie zentral für die Gesellschaft wie das die Deutschschweiz sieht, oder eher ein notwendiges Übel, was in der Westschweiz eine Mehrheitsmeinung ist?»
Ist die Armee zentral für die Gesellschaft oder eher ein notwendiges Übel?
Wieso die Romands die Armee mehrheitlich als notwendiges Übel ansehen, wurde in der Sicherheitsstudie nicht direkt erhoben, doch die Kosten der Armee seien ein möglicher Indikator, sagt Tresch: «Die Westschweiz findet, dass man für die Armee zu viel ausgibt, während in der Deutschschweiz eine Mehrheit die Ausgaben als ‹gerade richtig› beurteilt.»
Linker und grüner
Ein weiterer Indikator ist die politische Einstellung. Wenig überraschend: Je stärker rechts diese ist, als desto notwendiger wird die Armee angesehen. Die Romandie ist tendenziell linker und grüner eingestellt als die Deutschschweiz, was ebenfalls zu einer kritischeren Haltung gegenüber der Armee führt.
Weiter hat die Auffassung, erst in der Rekrutenschule werde ein Jüngling zum Mann gemacht, zwar auch in der Deutschschweiz an Bedeutung verloren, in der Westschweiz jedoch noch ausgeprägter; ebenso die Wichtigkeit eines militärischen Grades für eine erfolgreiche berufliche Karriere.
Studie: mehr Sympathien für Berufsarmee
Auffallend ist jedoch, dass die Armee in der Westschweiz die Gesellschaft stärker polarisiert. Es ist zwar eine Minderheit, doch gibt es überdurchschnittlich viele hochrangige Militärs aus der Romandie.
Die Studie zeige, dass sich mehr Romands für eine Berufsarmee aussprächen, als für eine Milizarmee, während in der Deutschschweiz die Mehrheit hinter dem heutigen Modell der Milizarmee stehe, so Tresch: «Hier gibt es ganz klare Unterschiede im Verhältnis zur Armee. Das kann auch der Grund dafür sein, dass in der Westschweiz einige Offiziere höheren Ranges sind. Sie sehen das Idealbild einer Berufsarmee.»
Frankreich als Vorbild?
Dabei dürfte auch der Einfluss aus dem benachbarten Frankreich eine gewisse Rolle spielen. Eine ganze Generation wurde davon geprägt, als der damalige französische Präsident Jacques Chirac 1997 die Armee professionalisiert und die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft hatte.
Doch in Frankreich hat der Wind in den letzten Jahren seit den Terroranschlägen gedreht. Junge wollen wieder vermehrt Armeedienst leisten. Ob dies auch einen Einfluss darauf hat, dass die Romands die Armee in Zukunft wieder vermehrt als zentral ansehen, ist offen.
Wenn VBS-Chefin Amherd die Romands überzeugen will, ist das sicher einfacher mit Themen wie Terrorismusbekämpfung, Cyberattacken oder Naturkatastrophen als mit neuen Kampfjets.