Der Genfer Staatsrat und ehemalige Bundesratskandidat Pierre Maudet ist wegen Vorteilsannahme verurteilt worden. Wie die Genfer Presse darauf reagiert und wie es nun weitergeht, sagt SRF-Westschweiz-Korrespondentin Barbara Colpi.
SRF News: Wie reagieren Politik und Medien in Genf?
Barbara Colpi: Von einem Urteil mit Signalwirkung spricht die Zeitung «Tribune de Genève». Die Genfer Justiz habe eine klare rote Linie gezogen, wenn es um die Annahme von Geschenken an Politiker gehe. Als historisch bezeichnet die Zeitung «Le Temps» die Tatsache, dass ein amtierender Staatsrat, der strafrechtlich verurteilt wurde, sich gleichzeitig im Wahlkampf befinde für seine Wiederwahl am 7. März.
Die Mitkandidatin, die Grüne Fabienne Fischer, reagierte diplomatisch auf den Schuldspruch. Via Twitter liess sie verlauten, nach dem Gericht sei es nun am Stimmvolk zu urteilen.
Maudet gibt sich sehr volksnah und nützt die spezielle Pandemiesituation aus.
Zufrieden mit dem Urteil zeigte sich Bertrand Reich, der Präsident der Genfer FDP, also derjenigen Partei, die Pierre Maudet letzten Sommer nach langem Ringen ausgeschlossen hatte und für die er einst in den Bundesrat wollte. Reich fügte jedoch an, die ganze Affäre sei eine Schande für den Kanton Genf.
Warum reagierte Pierre Maudet selbst teilweise zufrieden auf das Urteil?
Das Strafmass fiel deutlich milder aus als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Auch wurde er in zwei Punkten freigesprochen, unter anderem im Zusammenhang mit einer politischen Umfrage, die er finanzieren liess. Sein Anwalt Grégoire Mangeat hat erklärt, sich weiter für die Unschuld von Pierre Maudet einzusetzen und das Urteil weiterzuziehen.
Pierre Maudet wird trotz seiner Verurteilung am 7. März bei der Ersatzwahl antreten und für seine eigene Nachfolge kandidieren. Wie stehen seine Wahlchancen?
Klar, auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, es schmälert seine Chancen auf eine Wiederwahl natürlich deutlich. Trotzdem, in Genf will ihn noch niemand abschreiben. Tatsache ist, dass kein anderer Kandidat so aktiv Wahlkampf betreibt wie er. Maudet gibt sich sehr volksnah und nützt auch die spezielle Pandemiesituation aus.
Genferinnen und Genfer können direkt bei ihm Rat holen, wenn es um finanzielle Unterstützung geht.
Er hat eine Anlaufstelle eingerichtet: Genferinnen und Genfer können direkt bei ihm Rat und Hilfe holen, wenn es um finanzielle Unterstützung geht und fragen, wie sie am besten vorgehen sollen. Doch auch wenn Genf manchmal etwas anders tickt und Pierre Maudet eine spezielle Figur ist, wäre seine Wiederwahl doch eine Überraschung.
Das Gespräch führte Claudia Weber.