Freude herrschte über das wuchtige Ja zur «Ehe für alle» am 26. September 2021 – ein Erfolg für die Grünliberale Partei (GLP). Vor ihr hatten schon andere Parteien das Thema ins Parlament gebracht, es fand aber keine Mehrheit. Politologin Cloé Jans erklärt, wieso sich die GLP in gesellschaftspolitischen Fragen profilieren kann: «Auch linke Parteien – Grüne und SP – engagieren sich in diesem Bereich seit Jahren stark. Im Moment ist es aber sicher so, dass die GLP im Bereich der Gesellschaftspolitik ein relativ stark gefestigtes Profil hat.»
Dies sei nicht zuletzt auch dank der Abstimmung über die «Ehe für alle» so. «In anderen Bereichen fehlt es der GLP noch etwas an klaren Konturen. Es ist sicher gut, wenn man sich dort noch stärker engagiert.»
Doch die GLP will auf der Erfolgsschiene weiterfahren – mit der Legalisierung der Eizellenspende. Sie brachte das Thema in die zuständige Kommission, in der es kaum Widerstand gegen das Anliegen gab. Die Grünen hoffen nun, dass die GLP die Bürgerlichen ins Boot holt.
Ich denke nicht, dass die Grünliberalen der Katalysator sind, aber sie helfen mit Mehrheiten.
«Es ist eine progressive Wende im Gang», sagt Aline Trede (Grüne/BE). «Das sehen wir auch im Parlament. Ich denke nicht, dass die Grünliberalen der Katalysator sind, aber sie helfen natürlich mit Mehrheiten. Die Angst vor Vorschlägen, wenn man das Gefühl hat, es sei noch etwas Bürgerliches dran, ist dann im Parlament kleiner.»
Enger Ausgang erwartet
Dennoch wird es für die Legalisierung der Eizellenspende für Ehepaare im Nationalrat eng. Die meisten Mitte-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier lehnen sie ab. Noch nicht entschieden hat sich die FDP.
Wir FDP-Frauen haben schon immer grossen Wert auf gesellschaftspolitische Themen gelegt.
Wenn sie – wie zuletzt bei der «Ehe für alle» – ja sagt, reicht es für eine Mehrheit. Sitze im Parlament macht die GLP insbesondere der FDP streitig. Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP/SG) sagt: «Ich gönne der GLP natürlich die guten Umfragewerte, und die FDP wird selbstverständlich alles daran setzen, sich auch in gesellschaftspolitischen Themen weiterzuentwickeln. Insbesondere wir FDP-Frauen haben schon immer grossen Wert auf gesellschaftspolitische Themen gelegt.»
Junge Fraktion von Vorteil
Dass die GLP-Fraktion in der Gesellschaftspolitik stark ist, hat wohl auch dazu beigetragen, dass sie gemäss dem letzten SRG-Wahlbarometer zulegt und die FDP verliert. «Es ist sicher so, dass eine Fraktion, die jünger und gleichberechtigter aufgestellt ist, auch diese Themen besser gegen aussen vertreten kann», erklärt Cloé Jans von GFS Bern.
Die FDP sei eine alte Volkspartei, die auf lange Traditionen zurückblicken könne. «Das macht es zuweilen aber auch schwieriger, Grabenkämpfe über den weiteren Verlauf der Parteipositionen auszutragen», so Jans.
Im Parlament bereitet die GLP schon das nächste Thema vor: Diese Woche wird sie Vorstösse für eine vereinfachte Einbürgerung einreichen. Hier muss sie erneut – wie bei der Legalisierung der Eizellenspende – versuchen, Teile der bürgerlichen Ratsmitglieder zu überzeugen.