Die Ausschreitungen am 1.-Mai-Umzug 2022 in Basel sorgen auch fast ein Jahr danach noch für Diskussionen. Schlagzeilen, wie «Hinten rufen sie ‹Frieden!›, vorne prügeln sie Fotografen», überschatteten den Tag der Arbeit. Unschöne Szenen gab es auch bei weiteren rot-grünen Kundgebungen in Basel. Bei Ausschreitungen an einer Klima-Demo wurde ein Polizist verletzt; jüngst kesselte die Polizei am Frauentag eine Demo ein und schoss mit Gummischrot.
Diesem Problem will die Basler SP zusammen mit Gewerkschaften jetzt mit einem sogenannten Demonstrations-Kodex begegnen.
Wir möchten ein Zeichen für einen friedlichen 1. Mai-Umzug setzen.
Konkret soll es am traditionellen 1. Mai-Umzug einen «Demo-Knigge» geben. Am diesjährigen Tag der Arbeit darf der Schwarze Block zum Beispiel nicht mitlaufen. «Wir möchten ein Zeichen für einen friedlichen 1. Mai-Umzug setzen», sagt Marcel Colomb, Vize-Präsident der SP Basel-Stadt.
Verhärtete Demo-Fronten
Denn Demo-Chaoten, aber auch Einsätze der Polizei sorgen in Basel schon länger für gehässige Diskussionen. Die Fronten sind verhärtet. Nach der Frauen-Demo forderten mehrere linke Parteien und Organisationen den Rücktritt des Basler Polizeikommandanten.
Bürgerliche Kräfte dagegen finden nur lobende Worte, wenn die Sicherheitskräfte unzimperlich durchgreifen. Und die Basler SVP will mit zwei Initiativen sogar das Demonstrationsrecht einschränken.
Es ist aber auch klar, dass sich ein Familienvater nicht einer gewalttätigen Gruppe in den Weg stellt.
Ob der Aufruf der SP die Gemüter beruhigen und für einen friedlichen 1. Mai-Umzug sorgen kann, ist fraglich: Denn wie gewaltbereite Leute tatsächlich ferngehalten werden sollen, bleibt offen. «Ich glaube, bereits unser Aufruf hält die extremen Gruppierungen davon ab, überhaupt an den Umzug zu kommen», sagt Colomb.
Gleichzeitig relativiert der Vize-Präsident der Basler SP auch die eigenen Möglichkeiten: «Sollte es trotzdem zu Krawallen kommen, probieren wir einzuschreiten. Es ist aber auch klar, dass sich ein Familienvater nicht einer gewalttätigen Gruppe in den Weg stellt.» Die SP wolle keine Polizeiaufgaben übernehmen.
Kein Gespräch mit Linksextremen gesucht
Den Demo-Kodex der Basler SP unterstützen diverse linke Organisationen. Mit linksextremen Gruppierungen hat sich die SP allerdings nicht abgesprochen. «Der Schwarze Block hat keine Ansprechperson. Da können wir nicht einfach anrufen.» Ausserdem will sich Colomb nicht festlegen, bei der Frage, was denn aus Sicht der SP als Gewalt an einer Demo gilt. Eine Frage, die Colomb nur vage beantwortet: «Natürlich fallen Schlägereien oder eingeschlagene Schaufenster dazu. Sprayereien sind eine Grauzone.»
Dass linke Organisationen bereits im Vorfeld einer Kundgebung gewisse Gruppierungen ausladen, ist neu in Basel. Ist das auch als Reaktion auf die Forderung der SVP zu verstehen, die in Basel das Demonstrationsrecht beschneiden will? Colomb verneint: «Wir müssen die Situation beruhigen. Aber wir stehen nicht auf der Seite der Repression.»
Der Demo-Kodex sei nicht als Zeichen für ein politisches Entgegenkommen zu verstehen. Es gehe darum, wieder friedliche Kundgebungen zu ermöglichen. Ob den Worten auch Taten folgen, zeigt sich spätestens am 1. Mai.