Anti-Patriarchats-Kundgebungen, Pro-Palästina-Demonstrationen oder Klimastreiks: An drei von vier Tagen fand im letzten Jahr in Basel eine Demonstration statt. Höchstwerte im Vergleich zu anderen Jahren, wie die aktuellen Zahlen der Basler Polizei zeigen. Alleine im letzten Jahr gab es 124 unbewilligte und 151 bewilligte Kundgebungen im Stadt-Kanton. So viele, wie nie zuvor, bestätigt Polizeisprecher Adrian Plachesi.
Wir stellen fest, dass die Leute generell mehr auf die Strasse gehen, um ihre Meinung kundzutun.
Ein thematischer Schwerpunkt, wie beispielsweise «Basel-Nazifrei-Proteste» oder Corona-Demonstrationen, liesse sich dabei nicht erkennen: «Wir stellen fest, dass die Leute generell mehr auf die Strasse gehen, um ihre Meinung kundzutun.» Ein Trend, den man auch in anderen grossen Schweizer Städten verzeichnet. Auch in Zürich und Bern hat es im letzten Jahr mehr Demonstrationen und Kundgebungen gegeben.
Die Breite an Themen ist bemerkenswert: 2021 demonstrierten Schweizerinnen und Schweizer in diversen Städten für Klimanliegen, Frauenrechte, gegen die Corona-Massnahmen oder auch wegen Asylpolitik. Die markante Zunahme sowie die breite Palette der Themen überrascht Stefanie Bailer, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Basel, nicht. Diese Entwicklung sei weit über die Kantons- und Landesgrenzen hinweg zu beobachten.
Viele Bürgerinnen und Bürger seien mit den etablierten Parteien nicht mehr so zufrieden, sagt Bailer, denn: «Viele Themen schaffen es nicht in die politische Agenda. Deshalb versuchen die Leute das mit Demonstrationen und Protesten selbst in die Hand zu nehmen.» Aus gesellschaftspolitischer Sicht sei das grundsätzlich zu begrüssen: «Es ist erfreulicher, wenn die Leute eine Position beziehen, als wenn sie politisch passiv sind».
Für die Polizei bedeuten die zahlreichen Kundgebungen und Demonstrationen einen grossen Mehraufwand – meist spät am Abend oder auch an den Wochenenden. «Die Belastung hat für die Polizistinnen und Polizisten merkbar zugenommen», so der Sprecher der Basler Polizei, Adrian Plachesi. Auch in Bern und Zürich klingt es ähnlich. Im letzten Jahr hätten sich wegen den zahlreichen Demonstrationen und Kundgebungen viele Überstunden angesammelt.
Es gab in den letzten Jahren in Basel schlicht zu viele Demonstrationen, es nervt nur noch.
Die vielen Demonstrationen geben auch in der Basler Politik zu reden. So forderte SVP-Grossrat Roger Stalder vor kurzem in einem politischen Vorstoss eine Anpassung der Demonstrations-Regeln. Konkret will er, dass an Samstagen keine Demonstrationszüge mehr durch die Innenstadt führen dürfen. Zu oft hätten diese in den letzten Monaten, die Innenstadt sowie den öffentlichen Verkehr lahmgelegt.
«Demonstrationen sind wichtig, das ist mir klar. Aber die Stadt gehört allen und es kann nicht sein, dass sie an so vielen Wochenenden von einigen wenigen so besetzt wird», argumentiert Stalder. Mehrfach hätten sich Ladenbesitzerinnen und Anwohner bei ihm beklagt: «Es gab in den letzten Jahren in Basel schlicht zu viele Demonstrationen, es nervt nur noch.» Den Vorstoss zu den neuen Demonstrations-Richtlinien hat Roger Stalder an das Basler Parlament übergeben. Jenes wird in den nächsten Monaten über die Forderungen diskutieren.