Die Krawalle während einer unbewilligten Demonstration in Zürich letzten Samstag, die mitunter der linksextremen Szene zugeordnet werden, sorgen schweizweit für Schlagzeilen. Sie stehen in Zusammenhang mit der Räumung des jahrelang besetzten Kochareals in der Stadt Zürich: Parolen der Kundgebung lassen diesen Schluss zu.
Nun ist vergangene Woche ein Teil der Besetzerinnen und Besetzer des Kochareals – schätzungsweise 40 Personen – von dort weitergezogen, auf die Hardturm-Brache. Doch dort, auf dem Gelände eines ehemaligen Fussballstadions, sind sie nicht alleine.
Ein begehrter Raum
Denn das Areal in der Nähe des Hardturms ist ein begehrter und viel beanspruchter Freiraum: Im Sommer finden hier Festivals statt, dann gibt es eine grüne Oase, die der Verein Stadionbrache bewirtschaftet, Quartierbewohnende kümmern sich um ihre Gärten. Ausserdem plant die Stadt hier eine provisorische Asylunterkunft.
Doch ein Platzproblem scheint es bislang nicht zu geben: Auf dem Areal, das 47'000 Quadratmeter gross ist, kommt man sich auch nicht so schnell in die Quere. 47'000 Quadratmeter – das sind immerhin so viel wie sechs bis sieben Standardfussballfelder.
Gelangt man auf das Areal, das in einen asphaltierten und einen begrünten Teil aufgeteilt ist, fallen zuerst die vielen roten Profile auf: ausgesteckt für eine provisorische Asylunterkunft, welche die Stadt bei Bedarf schnell aufbauen könnte. Dahinter stehen seit vergangenem Mittwoch Wagen in einem Halbkreis dicht aneinander: Wagen ehemaliger Kochareal-Besetzerinnen und -Besetzer.
Dass diese vom Kochareal auf die Brache umgezogen sind, hat Brachen-Wart Lorenz de Vallier überrascht, auch wenn es ein wenig absehbar gewesen sei. «Es war ja klar, dass es ein Vakuum gibt, wenn diese Menschen keinen Platz mehr haben zum Leben und Wirken», sagt er.
Eine wilde Oase für alle
Seit 2011 bewirtschaftet der Verein Stadionbrache den grünen Teil des Areals. Es ist wie eine wilde Oase – zugänglich für alle. Und viele nutzen dieses Areal in ihrer Freizeit oder um Sport zu treiben: So gibt es etwa einen Boulderwürfel zum Klettern, Grün für Hunde oder einen Stadiongarten.
Sogar Tiere leben hier: Hühner und ein paar Schweine. Das Herz des Orts bildet ein grosser Pizzaofen und eine offene Küche – während der wärmeren Monaten zieht das viele Leute an für gemeinsames Essen unter freiem Himmel. Für Lorenz de Vallier macht genau dies die Brache zu einem einzigartigen Ort in der Stadt.
Aber nur idyllisch und friedlich ist es nicht immer. Hie und da kommt es auch zu Konflikten. So sei in letzter Zeit beispielsweise Littering zu einem Problem geworden, sagt Beat Kübler, der sich bereits seit vielen Jahren im Verein Stadionbrache engagiert. Es gebe zwar klare Regeln diesbezüglich, doch leider laufe deswegen nicht alles reibungslos. Präsent sein, das sei wichtig, fügt er an.
Ziemlich gelassen nimmt Beat Kübler indes die neuen Nachbarn. «Ich finde es recht entspannt eigentlich», sagt er. Zwar habe es letzte Woche, bei Ankunft der Neuen, erst ein wenig Aufregung gegeben. Die habe sich aber schnell wieder gelegt.
Wer genau auf die Brache gekommen ist, wissen Beat Kübler und Lorenz de Vallier indes nicht genau. Von den Ausschreitungen am Wochenende haben sie Kenntnis – und distanzieren sich davon und von jeder Form von Gewalt deutlich.
Gerne hätte man dazu etwas von den neuen Nachbarn auf der Stadionbrache erfahren. Doch hinter der Wagenburg wollte an jenem Tag niemand darüber reden.