Am Mittwoch hat der Bundesrat den bisher grössten Öffnungsschritt beschlossen: Im Freien müssen keine Masken mehr getragen werden, die Clubs können wieder öffnen und es sind wieder Veranstaltungen über 10'000 Zuschauer erlaubt. SRF-Wissenschaftsredaktor Christian von Burg erklärt, wieso nun für Ungeimpfte Vorsicht geboten ist.
SRF News: Wie riskant ist die Öffnung von Clubs und Stadien?
Christian von Burg: Wenn die Maskenpflicht am Arbeitsplatz, an Grossveranstaltungen und in Clubs jetzt fällt, dann ist das für die Geimpften eine schöne Erleichterung. Für alle Ungeimpften hingegen bedeutet es ein deutlich gesteigertes Risiko, sich untereinander anzustecken. Die Fallzahlen sind derzeit zwar nicht hoch, aber wenn viele Leute in Innenräumen zusammenkommen, laut lachen, rufen oder singen, dann ist die Chance für ein Superspreading-Event unter Ungeimpften nach wie vor vorhanden. Denn der Schnelltest, den man für ein Covid-Zertifikat machen muss, hat eine gewisse Fehlerquote.
Einen hundertprozentigen Schutz bietet die Impfung übrigens nicht.
Wie wahrscheinlich ist eine Ansteckung durch Geimpfte?
Einen hundertprozentigen Schutz bietet die Impfung nicht, aber die Wahrscheinlichkeit auch nach einer Impfung noch schwer krank zu werden, ist sehr klein.
Auch die Wahrscheinlichkeit, das Virus als geimpfte Person trotzdem zu übertragen, ist sehr klein, wie neuere Studien zeigen.
Und die Virusvarianten?
Die Rolle des möglichen Spielverderbers spielt vor allem die sogenannte Delta-Variante. Sie ist rund 50 Prozent ansteckender als die bisher dominante (britische) Alpha-Variante. Ob sie auch gefährlicher, sprich krankmachender ist als die bisherige Variante ist noch unklar, es gibt aber Hinweise darauf. Tatsache ist, dass diese Variante in England, in Portugal und vermutlich auch in Russland jüngst zu einem deutlichen Anstieg der Ansteckungen geführt hat.
Wer noch nicht geimpft ist und in Kontakt kommt mit einer infizierten Person, hat bald ein grösseres Risiko sich anzustecken als je zuvor.
In der Schweiz liegt der Anteil der Delta-Variante bereits bei über zehn Prozent und dieser Anteil dürfte relativ rasch weiter steigen. Wie schnell und wie stark sich diese neue Delta-Variante auf die Fallzahlen auswirken wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Es lässt sich aber sicher sagen: Wer noch nicht geimpft ist und in Kontakt kommt mit einer infizierten Person, hat bald ein grösseres Risiko sich anzustecken als je zuvor.
Wie könnten sich die Lockerungen im Herbst auswirken?
Die sinkenden Fallzahlen sind höchst erfreulich – aber sie können auch trügerisch sein, denn das Blatt kann sich wieder wenden. Das hat der Sommer 2020 gezeigt. Da kam es zu einem zuerst langsamen, aber leider exponentiellen Anstieg der Fallzahlen. Die meisten unterschätzten die Situation und waren überrascht von der Heftigkeit der zweiten Welle im Herbst, die in der Schweiz am meisten Todesopfer forderte.
Die Geimpften bilden eine Art Schutzschild, der auch den Ungeimpften zugutekommt.
Dank der Impfung ist die Situation in diesem Sommer zum Glück ganz anders. Das Coronavirus hat es unterdessen viel schwerer, sich zu verbreiten. Die Geimpften bilden eine Art Schutzschild, der auch den Ungeimpften zugutekommt. Aber die Ungeimpften dürfen sich nicht in falscher Sicherheit wähnen: Spätestens im Herbst dürfte die Zahl der Fälle wieder ansteigen, vielleicht aber auch schon früher.
Das Gespräch führte Saya Bausch.