Der rassistisch motivierte Anschlag von Hanau erschüttert Deutschland. Er reiht sich ein in eine Reihe rechtsextremer Gewalttaten in den vergangenen Jahren. Beim Täter von Hanau handelt es sich nach aktuellem Ermittlungsstand um einen Einzeltäter, der nicht Teil eines grösseren Netzwerks war. Doch auch solche Netzwerke beschäftigen in Deutschland regelmässig die Justiz: Erst am vergangenen Wochenende wurden bei Razzien in mehreren Bundesländern 12 Personen verhaftet, die Anschläge auf Ausländer und Politiker geplant haben sollen. Und im Januar verboten die deutschen Behörden die Neonazi-Vereinigung «Combat 18».
In der Schweiz ist es um die rechtsextreme Szene vergleichsweise ruhig – Meldungen zu Gewalttaten sind selten. «In Bezug auf die Militanz unterscheidet sich die Szene der Schweizer Rechtsextremen grundlegend von jener in Deutschland», sagt Samuel Althof, Leiter der privaten Fachstelle für Extremismus und Gewaltprävention Fexx, zu SRF News.
«Schweizer Rechtsextreme sind nicht strukturell gewaltbereit», sagt Althof. In Einzelfällen könne es aber dennoch zu Gewalt gegen Personen kommen. Und auch gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Rechts- und Linksextremen gebe es. «Mit einer terroristischen Organisation kann die rechtsextreme Szene in der Schweiz aber nicht verglichen werden», sagt Althof.
«Keine nationalsozialistische Geschichte»
Die Unterschiede zu Deutschland seien unter anderem historisch bedingt. «Die Schweiz hat keine nationalsozialistische Geschichte wie Deutschland.» Es gebe hier denn auch keine grossen Netzwerke von Rechtsextremen wie in Deutschland. «Eine vergleichbare Gruppierung müsste in der Schweiz von Grund auf aufgebaut werden. Das ist bisher immer gescheitert», sagt Althof.
Doch auch wenn die rechte Szene in der Schweiz grundsätzlich weniger gewaltbereit sei als jene in Deutschland, könne es natürlich auch hierzulande psychisch kranke Einzeltäter mit rechtsextremem Weltbild wie in Hanau geben.
«Politisches Klima weniger giftig als in Deutschland»
Der Extremismusexperte schätzt, dass der harte Kern der Schweizer Rechtsextremen aus höchstens 80 Personen besteht. Das weitere Umfeld dieses Kerns dürfte rund 1000 Personen umfassen. Zum harten Kern zählt Amhof etwa die Pnos (Partei National Orientierter Schweizer) oder die sogenannte «Kameradschaft Heimattreu». Eine strukturelle Zusammenarbeit mit deutschen Gruppen würden die Schweizer Rechtsextremen nicht pflegen. «Die Kontakte beschränken sich auf Einzelfälle», sagt Althof.
Einen weiteren Grund für die Unterschiede der beiden Szenen sieht Althof im politischen Klima in der Schweiz. «Dieses ist heute hierzulande weniger giftig als in Deutschland», sagt er. «Der rechte politische Rand in der Schweiz bietet nur beschränkt eine geistige Heimat für Rechtsextreme.»