Seine Kandidatur war lange erwartet worden – am Sonntag hat der Zürcher Nationalrat Balthasar Glättli via Medien bestätigt: «Ja, ich will.» Der aktuelle Fraktionschef der Grünen Partei ist bisher der einzige, der Nachfolger von Regula Rytz werden will. Nach heutigem Stand spricht alles dafür, dass er Ende März gewählt wird.
Glättli würde eine Partei übernehmen, die vergangenen Oktober bei den nationalen Wahlen ihren grössten Erfolg feiern konnte. Zudem konnte er den grössten Zuwachs im Nationalrat seit Einführung des Proporzwahlsystems vor 100 Jahren verzeichnen. Entsprechend gross sind die Erwartungen und Herausforderungen an ihn.
«Grünen müssen liefern»
Für den Politologen Claude Longchamp ist klar, dass der neue Präsident der Grünen den Spagat zwischen Umweltbewegung und politischer Kleinarbeit im Parlament schaffen muss: «Die Grünen müssen liefern, sie müssen mehrheitsfähig werden.»
Keine leichte Aufgabe für eine linke Partei. Doch wenn die Grünen sachpolitisch nichts erreichten, könnte die Wählerschaft enttäuscht werden, sagt Longchamp: «Die könnte so zum Schluss kommen: Bei den Bundesratswahlen wurden wir nicht bedient, in der Politik ebenfalls nicht. Es nützt also nichts, diese Partei zu wählen.»
Keine Chance mit Maximalforderungen
Bei Exponenten der anderen Parteien werden bereits munter Erwartungen an den möglichen neuen Präsidenten der Grünen formuliert. Die Grüne Partei dürfe nicht auf Maximalforderungen beharren, sagt der Präsident der Grünliberalen, Jürg Grossen: «Ich erwarte, dass sie konstruktiv mit uns und den anderen Parteien zusammenarbeiten. Damit wir zu Lösungen kommen, die auch vor dem Volk bestehen.»
Ähnlich tönt es bei FDP-Fraktionschef Beat Walti: «In der Klima- und Umweltpolitik muss man die Bevölkerung mitnehmen. Und das schafft man nicht mit extremen Rezepten.» Die Grünen müssten ihren Vorstellungen deshalb möglichst konstruktiv einbringen.
Auch SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi macht einen konkreten Vorschlag: «Raum für Kompromisse sehe ich in der Zuwanderungspolitik. Die hat massive Auswirkungen auf die Natur und die Umwelt – da gibt es sicher Überlappungen zwischen SVP und Grünen.» Da setze er durchaus gewisse Hoffnungen in Glättli, erklärt Aeschi.
Die grüne Frauenfrage
Eine Erwartung kann Balthasar Glättli mit Bestimmtheit nicht erfüllen – dass die Grünen auch nach Regula Rytz von einer Frau präsidiert werden. Ausgerechnet die Partei, die im Oktober in besonderem Masse von der Frauenwahl profitiert hat.
«Das passt eigentlich nicht zusammen», sagt Politologe Longchamp. «Gerade im Ständerats-Wahlkampf haben die Grünen mit Erfolg auf Frauen gesetzt.» Er traut Glättli allerdings zu, dass er sich auch bei Themen mit Erfolg einbringt, die für Frauen wichtig sind. «Visuell ist es aber sicher ein Nachteil.»