Bei der SP brodelt es vor den Bundesratswahlen: Die Parteileitung will dem Parlament nur Frauen als mögliche Nachfolgerinnen von Bundesrätin Simonetta Sommaruga vorschlagen. Das kommt in der Partei nicht nur gut an. Ständerat Daniel Jositsch, der selber auch für den Bundesrat kandidieren will, spricht sogar von Diskriminierung. Wie stark leidet das Image der SP unter diesen Diskussionen?
SRF News: Seit Simonetta Sommarugas Rücktritt macht die SP täglich Schlagzeilen – das reine Frauenticket wird stark hinterfragt. Wie stark schadet das der Partei?
Reto Mitteregger: Zum jetzigen Zeitpunkt hilft es zumindest nicht sehr. Es wirkt natürlich gegen aussen wie eine Spaltung oder klingt zumindest nach Querelen in der Partei. Das hilft der Partei natürlich nicht. Wenn man es mit der SVP vergleicht: Sie wirkt mit ihrer Kandidatur schon fast ruhig. Ob diese Unruhe der SP aber effektiv schadet, werden wir noch sehen.
Die SP diskutiert immer wieder über solche Richtungsentscheide.
Also darf man das Ausmass dieses Konflikts nicht überschätzen?
Es gibt Stimmen, die Daniel Jositschs Ambitionen unterstützen – ausserhalb der SP, aber auch innerhalb der Partei. Es ist aber wahrscheinlich eine Minderheit, die die Kandidatur im Moment unterstützt. Diese Spaltung, wenn man sie denn so nennen will, sollte zum jetzigen Zeitpunkt nicht überschätzt werden.
Es ist nicht das erste Mal, dass es bei der SP einen solchen Richtungsentscheid gibt. Sind solche Konflikte also typisch für die Partei?
Sie sind auf jeden Fall immer wiederzusehen: Man denke hier an den Kanton Zürich, wo Regierungsrat Mario Fehr demonstrativ aus der Partei ausgetreten ist. Man denke auch an Chantal Galladé, die zu den Grünliberalen gewechselt ist. Oder auch an Daniel Jositsch selber, der als Führer des Reformflügels, dem ja auch Sommaruga zeitweise angehört hat, bekannt ist. Die SP hat immer wieder mit Richtungsstreiten oder Richtungsentscheiden zu ringen. Das gehört, könnte man sagen, ein bisschen zur DNA der Partei. Das hat ihr nicht immer geholfen. Aber, um dies erneut zu betonen: Diese Diskussionen sollten zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht überschätzt werden. Sie sind – wie die Beispiele zeigen – immer schon da gewesen.
Gewisse Medien berichten von einem Konflikt, der die SP zerfleische. Sehen Sie das auch so? Oder anders gefragt: Wie gespalten ist die SP vor der Bundesratswahl?
Eine Zerfleischung ist es ganz sicher nicht. Und ich glaube auch, das Wort «Spaltung» muss man in Anführungszeichen setzen. Die Partei und die Fraktion sind relativ geschlossen. Auch geschlossener, als man das erwartet hat, als das neue Führungsduo gewählt wurde. Diese Auseinandersetzungen in der Partei gehören ein Stück weit zur Sozialdemokratie, nicht nur in der Schweiz, sondern auch in ganz Europa.
Man sollte diese Spaltung nicht überschätzen.
Man sollte diese interne Spaltung also nicht überschätzen. Aber man sollte sie auch nicht einfach wegkehren. Es gibt eine existierende Diskussion um die Ausrichtung der Partei. Und wenn die Kandidatur von Daniel Jositsch ausserdem etwas zeigt, dann, dass die SP in diesem eher in der Mitte positionierten Profil, das Jositsch vertreten würde, eher nicht zu politisieren scheint.
Das Gespräch führte Vera Deragisch.