Albert Rösti ist begeisterter Trompetenspieler. Jetzt darf er die Siegesfanfare einüben: Mit der Nomination hat er die grösste Hürde genommen. Seine schärfsten Kritiker nämlich kamen aus der eigenen Partei.
Als SVP-Präsident fiel Rösti vor drei Jahren in Ungnade. In den letzten Wochen machte die «Weltwoche» von SVP-Nationalrat Roger Köppel Stimmung gegen seine zahlreichen «Pöstchen» und Mandate. An Rösti haften geblieben ist davon aber wenig: Die Nominierung hat er glanzvoll im ersten Wahlgang geschafft.
Der Faktor Mensch
In die Bundesratswahl steigt Rösti mit einem enormen Heimvorteil: Er ist auf SVP-Linie, einen Draht aber hat der Gesundheits- und Energiepolitiker in alle Lager. So sehr seine Mandate und die mangelnde Transparenz über deren Bezahlung auffallen: Die vielen Hüte sind für Rösti auch ein Vorteil. Linke kritisieren den Auto-Lobbyisten Rösti, den Wasserkraft-Lobbyisten Rösti aber schätzen pragmatische Linke durchaus. Jüngst bei der Solar-Offensive war Rösti ein Deal-Maker.
Wer Rösti beobachtet, wie er mit einer grünen Spitzenpolitikerin scherzt oder einen einflussreichen Mitte-Ständerat freundschaftlich an den Arm fasst, sieht: Man mag Albert Rösti. Das ist wichtig bei Bundesratswahlen.
Auswärtsspiel für Vogt
Für Hans-Ueli Vogt hingegen wird die Wahl fussballerisch gesprochen zum Auswärtsspiel. Wobei ihm Fussball ja gar nicht behagt: Er fühle sich im Nationalrat wie ein Tennisspieler auf dem Fussballplatz – das sagte er vor einem Jahr, als er seinen Rücktritt aus dem Parlament ankündigte.
Wenn Vogt das «Hickhack» im Bundeshaus nicht behagte, weshalb soll er dann der Richtige sein für das Gerangel im Bundesrat? Das fragen sich viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Die hauchdünne Nomination zeigt auch Vorbehalte in der SVP.
Im Nationalrat war der Zürcher Rechtsprofessors aufgefallen als SVP-Abweichler bei der «Ehe für alle» und bei schärferen Regeln für Konzerne. Das kann ihn interessant machen für Gegner der SVP. Reichen aber wird das kaum.
Der SVP entgeht damit eine Chance: Von einem urbanen, intellektuellen Bundesrat mit Gespür für Gleichstellungsfragen könnte die Partei vielleicht profitieren, nach all ihren Pleiten bei städtischen Wahlen.
Rösti hilft Herzog
Albert Rösti also kann die Siegesfanfare einüben. Nach dem SVP-Bundesrat wird am 7. Dezember die neue SP-Bundesrätin gewählt: Schafft es für die SVP der Berner Rösti, sinken bei der SP die Chancen der Berner Kandidatin Evi Allemann. Das stärkt SP-Kronfavoritin Eva Herzog.
Interessant wird es zwei Tage nach der Wahl, wenn der Bundesrat die Departemente verteilt. Energiepolitiker Albert Rösti dürfte das Energie-Departement UVEK anstreben. Auch Wirtschaftsverbände befürworten dieses Szenario. Energieminister Rösti? Das wäre ein Coup. Klar ist: Bundeshaus-Insider Rösti könnte zumindest den Anspruch glaubwürdiger und wirksamer anmelden als Hans-Ueli Vogt.