Die interaktiven Ausstellungen im Stapferhaus Lenzburg sind national bekannt. Soeben hat die neue Ausstellung «Natur – und wir?» eröffnet. Sie thematisiert unter anderem Pilze, und wie wir sie zukünftig auch als Baustoffe nutzen könnten.
Künftig könnten nachhaltige Bauplatten aus Pilz zum Beispiel Backsteine oder Beton ersetzen. In einer Lagerhalle in Emmenbrücke werden Pilze gezüchtet, die dann wiederum mit Wasser, Holzspänen und pflanzlichen Abfällen zu robusten Platten gemacht werden.
Sperrholzplatten aus Pilzen
Austernseitlinge werden dafür verwendet, deren Zellfäden (Myzel) normalerweise in der Erde wachsen. In der besagten Lagerhalle breiten sich die Fäden in einer pflanzlichen Mischung aus. Die zwei Zentimeter dicken Platten sind robust und sehen ähnlich aus wie Sperrholzplatten.
Patric Mürner von der Firma Mycosuisse beschäftigt sich seit über zehn Jahren mit Pilzen. Baustoffe aus Pilz sind keine Schweizer Erfindung. In der Schweiz aber scheint Patric Mürner auf diesem Gebiet führend zu sein. «Unser Ziel ist es, Petrochemieprodukte mit Pilzen zu ersetzen», erklärt er. Das Myzel vermischt mit Zellulose wirkt wie ein natürlicher Leim.
Mürner tüftelt an verschiedenen Produkten. Er kann die Beschaffenheit seiner Pilz-Platten bestimmen. Entscheidend ist, wann er das Pilzwachstum stoppt. Die Länge des Trocknens entscheidet über die Beschaffenheit einer Pilzplatte.
Härtetest in Stapferhaus-Ausstellung
Im Lenzburger Museum Stapferhaus hat Mürner Bodenplatten aus Pilzen eingebaut. Das dient auch als Praxistest, wenn tausende Besucherinnen und Besucher darüber laufen werden. «Die Bodenplatten für das Stapferhaus sind von der Festigkeit etwa so wie eine Korkplatte. Kein Rolls Royce, aber wir hoffen, dass die Platten für die Zeitdauer der Ausstellung halten», so Mürner.
Die Bodenplatten fürs Stapferhaus sind wie eine Korkplatte.
Wichtig sei, dass künftige Baustoffe nicht mehr mit problematischen Stoffen vermischt werden, sagt Dirk Hebel, Professor an der Fakultät für Architektur in Karlsruhe. Er forscht zusammen mit der ETH Zürich an nachhaltigen Baustoffen und sagt: «Beton ist auch ein vermischter Baustoff, hier werden Kiese, Sand, Zement und andere synthetische Zuschlagstoffe miteinander vermengt. Wir sind technologisch noch nicht in der Lage, diese Materialien dann wieder aus dem Beton hervorzuholen».
Beton ist auch ein vermischter Baustoff.
Idealerweise wäre ein aus Mycel und Zellulose gebautes Haus kompostierbar – ganz ohne problematische Substanzen in der Bauhülle. An solchen Bausteinen für Häuser forscht Patric Mürner. «Wie Backsteine, die nicht mehr gebacken werden müssen. Der Pilz übernimmt das Zusammenbacken, ohne Hitze», erklärt er vor den quadratischen Blöcken.
Backen ohne Hitze – das wäre dann ganz anders als die bisherige Zementproduktion. Sie erhitzt die Substanzen auf über 1400 Grad und verursacht hohe Emissionen.
CO2 aufnehmen statt ausstossen
Ein Pilzbaustoff nimmt sogar CO2 auf. Daran forscht auch Patric Mürner. Er möchte einen Baustoff entwickeln, der möglichst viel CO2 bindet und bei der Produktion wenig Energie benötigt. Die Materialprüfungen seien geplant, demnächst folge eine erste Produktelinie. Bis wir aber in Häusern aus Pilzen wohnen, dürfte es noch eine Weile dauern.