Lange Wartelisten und verzweifelte Eltern: Wer vor zehn Jahren in der Stadt Bern einen Platz in einer Kindertagesstätte ergattern wollte, brauchte Ausdauer und oft auch ein bisschen Glück.
Heute ist die Situation anders. Viele Kitas können ihre Plätze nicht belegen und stehen finanziell unter Druck.
Seit 2020 haben die 13 städtischen Kitas insgesamt 8.7 Millionen Franken Defizit geschrieben. Darum hat die Stadtberner Regierung beim Parlament einen Nachkredit in der Höhe von 3.4 Millionen Franken beantragt. Mit dem Geld soll eine Rückstellung für das laufende Jahr gebildet werden.
Tagesschule statt Kita
«Die Kitas sind mein Sorgenkind», sagt Ursina Anderegg, Direktorin für Bildung, Soziales und Sport der Stadt Bern. Für sie ist klar: «Das Kita-System ist unterfinanziert.» Für die vielen leeren Plätze sieht Anderegg mehrere Gründe. «Einerseits ist die Nachfrage seit Covid kleiner geworden, andererseits besuchen Kinder ab einem gewissen Alter vermehrt eine Tagesschule.» Gleichzeitig sind in den vergangenen zehn Jahren viele neue Kitas entstanden.
Bisher habe die Stadt vor allem durch Personaleinsparungen versucht, Kosten zu sparen, sagt Ursina Anderegg. Etwa mit der Schliessung der Kita Matte oder der Zusammenlegung von Standorten. Kündigungen seien jedoch – dank der natürlichen Fluktuation – keine ausgesprochen worden.
Weitere Schliessungen sind laut Anderegg nicht geplant. «Aber es wird sicher weitere betriebliche Massnahmen brauchen.» Daneben brauche es jedoch auch eine grundsätzliche politische Diskussion über die Zukunft der städtischen Kitas, sagt Anderegg.
Mehrkosten wegen städtischer Vorgaben
Aktuell ist die Situation so, dass die Kitas der Stadt Bern nicht so frei wirtschaften können wie private Kitas. Sie müssen sich zum Beispiel an das Personalreglement der Stadt halten und höhere Löhne zahlen als Private. Und: Sie müssen die städtischen IT-Systeme nutzen. Das führt zu Mehrkosten. Dennoch ist für Ursina Anderegg klar: «Wir wollen gute Arbeitsbedingungen – und das kostet.»
Städtische Kitas haben eine wichtige sozialpolitische Funktion.
Die Gemeinderätin ist überzeugt: Es braucht die städtischen Kitas – auch wenn sie aktuell defizitär sind. «Sie haben eine sozialpolitisch wichtige Funktion, vor allem an Orten, wo es kaum private Anbieter gibt.» Aber die Frage, wie und von wem sie künftig getragen werden sollen – «die müssen wir jetzt im Parlament diskutieren», sagt Anderegg.
Kritik am Nachkredit
Für Mitte-Stadträtin Béatrice Wertli ist bereits jetzt klar: Sie lehnt den Nachkredit ab.
Der Nachkredit schafft einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber privaten Anbietern.
Er widerspreche dem Prinzip der Chancengleichheit. «Der Nachkredit schafft einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber privaten Anbietern.» Ausserdem hätten die finanziellen Schwierigkeiten der städtischen Kitas mit strukturellen Problemen zu tun. Konkret: mit den Verpflichtungen, welche städtische Kitas haben. «Zuerst muss dieses grundlegende Problem gelöst werden», sagt Wertli.
Der Antrag für den Nachkredit soll voraussichtlich Anfang des zweiten Quartals 2025 in die öffentliche Vernehmlassung geschickt werden.