Es ist kurz vor 22 Uhr. Johanna Gmür fährt mit ihrem kleinen weissen Spitexauto durch den strömenden Regen. «Alles ist ruhiger. Es hat keine Autos auf der Strasse. Es entstehen andere Gespräche, weil die Gedanken der Menschen nachts meistens anders sind.»
Johanna Gmür liebt die Arbeit in der Nacht: «Ich entscheide gerne selber, handle gerne. Und ich kann jederzeit ein Spital oder einen Notarzt anrufen.»
Suche nach Personal läuft weiter
Für die neue Nachtspitex sei Johanna Gmür ein Glück, sagt Christine Schnyder, Geschäftsleiterin der Spitex Lindt, die zusammen mit der Spitex Rajovita die Nachtspitex aufgebaut hat. Personal zu finden, das sei harzig gewesen.
«Wir haben viele ältere Mitarbeitende am Ende ihres Berufslebens und ein paar ganz Junge, die das gerne als Abwechslung machen.» Man habe genug Leute gefunden, trotz Fachkräftemangel und ohne das Tagesteam der Spitex zu schwächen. Die Suche sei aber noch nicht abgeschlossen.
Der erste Auftrag von Johanna Gmür ist ein älterer Herr, der vom Rollstuhl ins Bett gebracht werden möchte. Bis jetzt hat das seine Frau gemacht. Nach einem Unfall muss sie sich aber schonen.
«Es ist schön, dass es Leute gibt, die das machen nachts. Und sie sind aufgestellt.» In der Tat ist Johanna Gmür freundlich, zugewandt und hat auch Zeit für ein kurzes Gespräch. Gleichzeitig arbeitet sie zügig.
Für den nächsten Klienten fährt Gmür in die Nachbargemeinde Rapperswil-Jona. Ein vergleichsweise kurzer Weg von 15 Minuten – Zeit, die nicht von der Krankenkasse bezahlt wird. Die langen Wege auf dem Land seien ein Unterschied zur Spitex in der Stadt, sagt Geschäftsleiterin Schnyder.
«In den Städten sind die Spitex-Vereine grösser, haben andere Kapazitäten. Man kann auf engerem Raum mehr Klientinnen und Klienten bedienen. Bei uns sind die Distanzen lang und das macht es vom Finanziellen nicht so attraktiv.» Um finanzierbar zu sein und eine gute Auslastung zu erreichen, haben sich zehn Gemeinden für die Nachtspitex zusammengeschlossen. Der Kundenstamm habe sich schnell gut entwickelt.
Der nächste Klient hat die Nervenerkrankung Multiple Sklerose und nutzt die Dienste der Spitex schon seit Jahren. Neu wechselte er zur Nachtspitex. So muss er nicht schon um acht oder neun ins Bett, wenn die Tagesspitex Schichtende hat.
Es ist kurz vor 23 Uhr. Es ist der längste Auftrag heute Abend. Einige Handgriffe im Haushalt, eine ausführliche Kontrolle und Pflege der Beine, dann ins Bett bringen.
Einsätze der Nachtspitex «machen durchaus Sinn»
Die Nachtspitex wurde von den Gemeinden ins Leben gerufen, damit Leute nicht frühzeitig in ein Heim müssen. Es gehe nicht darum, Altersheime und Spitex gegeneinander auszuspielen, betont Schnyder, sondern für jeden und jede die richtige Betreuung zu ermöglichen.
«Wenn es nur darum geht, nachts noch mal zu kontrollieren, ob die Klientinnen und Klienten im Bett liegen, ausgezogen sind, die Brille nicht mehr tragen oder man mit ihnen auf die Toilette geht. Es macht durchaus Sinn, dass das die Nachtspitex macht.»
Sie sind mega dankbar, haben Freude, dass wir kommen.
Etwa zehn Aufträge erledigt die Spitex pro Nacht. Dazu kommen Piketteinsätze. Johanna Gmür sagt, sie spüre grosses Vertrauen und Wertschätzung. «Sie sind mega dankbar, haben Freude, dass wir kommen.» Manchmal würden sie Klientinnen und Klienten aus dem Tiefschlaf wecken, um dann begrüsst zu werden mit einem «Schön sind sie da».