Zum Inhalt springen

Nationaler Giftnotruf Die Telefonummer 145 kann Leben retten – nun droht ihr das Aus

  • Beim Verdacht auf Vergiftung bietet Tox Info Suisse telefonische Hilfe an. Der Dienst ordnet Symptome ein und sagt, was zu tun ist.
  • 2024 verzeichnete die Notfallnummer mit über 42'000 Anrufen einen neuen Rekord.
  • Doch nun droht ihr wegen finanzieller Schwierigkeiten das Aus, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet.

Hat das Kind die Tablettendose der Grossmutter leergegessen? War ein giftiger Pilz im Gericht? Rund um die Uhr können Betroffene telefonisch bei Tox Info Rat von Expertinnen und Experten einholen. In sieben von zehn Fällen sind es Private, in vier von zehn geht es um Kinder. Auch medizinische Fachleute nutzen Tox Info.

Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider anerkannte im Herbst im Nationalrat: «Durch den Dienst können unnötige Besuche auf Notfallstationen vermieden und Kosten für das Gesundheitssystem eingespart werden.»

Verlust von Fachwissen

Im Umkehrschluss heisst das: Gäbe es Tox Info nicht mehr, würden die Notfallstationen der Spitäler zusätzlich belastet, die Versorgung der Betroffenen verzögerte und verschlechterte sich, die Gesundheitskosten stiegen an. Diese Einschätzung teilen die Kantone und die grösste Spitalgruppe der Schweiz, das Inselspital in Bern. Zudem fehlt auf Notfallstationen und ärztlichen Pikettdiensten das Fachwissen zu Vergiftungen.

Die gemeinnützige Stiftung kämpft schon länger mit schwindenden Mitteln. Gemäss Stiftungsrats-Präsident Josef Widler können die Verpflichtungen in diesem Jahr noch erfüllt werden. Ohne Leistungsauftrag, der die Finanzierung für die nächsten Jahre sichert, würde es aber prekär: Um einen Konkurs abzuwenden, müsste die Stiftung dann womöglich schon 2026 aufgelöst werden.

Es ist wichtig, dass Tox Info weiterbestehen kann.
Autor: Flavia Wasserfallen Ständerätin (SP/BE)

Die Stiftung finanziert sich über Beiträge ihrer Trägerschaft – die Verbände der Apotheken und der chemischen Industrie sowie die Suva. Dazu kommen Beiträge von Bund, Kantonen, Verbänden aus dem Gesundheitswesen und Spenden. Jährlich fehlt rund eine Million Franken – und in ein paar Jahren wollen sich die privaten Träger ganz zurückziehen.

«Die Stiftungen und privaten Träger sind der Ansicht, dass es sich beim Giftnotruf um einen Service public handelt. Das ist auch so. Deshalb können uns viele Stiftungen nicht mehr unterstützen», erklärt Widler. Sie drängen entsprechend darauf, dass die öffentliche Hand Tox Info finanziert.

Die wichtigsten Notrufnummern in der Schweiz

Box aufklappen Box zuklappen
  • 112: Internationaler Notruf
  • 117: Polizei
  • 118: Feuerwehr
  • 144: Ambulanz
  • 145: Tox Info

Tox Info hat sich mit einem Brief an die Bundesrätin gewandt. Das Schreiben liegt auch SRF vor. Daraus geht hervor, dass der Giftnotruf ohne finanzielle Überbrückung ein Viertel der Angestellten entlassen und den 24-Stunden-Betrieb des Notrufs einstellen müsste – im Widerspruch zu den Vorschriften.

Für Widler verliefen die Gespräche mit dem Bund bisher nicht zufriedenstellend. Für das Überleben reichten erst einmal einige 100'000 Franken, sagt er. Auf Anfrage verweist das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf die eigenen Sparmassnahmen. Kurzfristig könne es nicht einspringen.

Modernes Gebäude des Bundesamts für Gesundheit
Legende: Man stehe im Austausch und erarbeite Massnahmen für die nachhaltige Finanzierung der Stiftung, schreibt das BAG. Allenfalls brauche es rechtliche Anpassungen. Keystone / Christian Beutler

Nach Lösungen sucht auch SP-Gesundheitspolitikerin Flavia Wasserfallen. Die Berner Ständerätin hat das Anliegen in die zuständige Kommission eingebracht: «Priorität hat für mich, dass sich die Industrie nicht aus der Verantwortung zieht, nachdem sie Jahrzehnte mitfinanziert hat.» Gelinge das nicht, müssten Bund und Kantone eine Lösung suchen. «Wichtig ist, dass Tox Info weiterbestehen kann.»

Die Notfallnummer trägt unbestritten zur raschen Hilfe bei und entlastet so das Gesundheitswesen – und damit auch die Allgemeinheit vor zusätzlichen Kosten. Ein Beitrag, der sich auch in Zeiten angespannter Finanzen auszahlen dürfte.

Rendez-vous, 27.02.2025, 12:30 Uhr

Meistgelesene Artikel