Eigentlich sollte das Bundesparlament «zertifikatsfreie» Zone für die National- und Ständerate sein. Auf einen medialen Aufschrei folgte das Umdenken. Am Montag sprach sich der Ständerat für ein «Zertifikat light» aus: Wer kein Zertifikat vorweisen kann, dem soll der Zutritt auch mit Schutzmaske gestattet sein.
Heute nun setzte sich der Nationalrat mit der Zertifikatspflicht auseinander – und folgte der kleinen Kammer: Wer das Parlamentsgebäude betreten will, braucht künftig ein Covid-Zertifikat, muss also geimpft, getestet oder genesen sein. Ratsmitglieder, die kein Zertifikat vorweisen können, erhalten trotzdem Zutritt, sofern sie eine Maske tragen.
Der Entscheid fiel mit 146 gegen 27 Stimmen bei 17 Enthaltungen. Somit kann die Zertifikatspflicht für den Zutritt zum Parlamentsgebäude am Samstag in Kraft treten.
Wer nicht geimpft ist, für den braucht es alle drei Tage einen Spucktest. Es kann doch niemand sagen, dass deswegen jemand vom Parlament ausgeschlossen wird.
Marianne Streiff-Feller (Mitte-Fraktion/BE) hielt es in ihrem Votum für zumutbar, dass Parlamentarierinnen und Parlamentarier die gleichen Auflagen wie die allgemeine Bevölkerung einhalten müssten. Eine Ausnahme für Maskentragende einzubauen, sei unverständlich: «Wir haben eine Vorbildfunktion für die Bevölkerung.» Und eine solche Ausnahme vermittle einen falschen Eindruck.
Grundsatzkritik aus den Reihen der SVP
Auch Céline Widmer (SP/ZH) fand: «Wer nicht geimpft ist, für den braucht es alle drei Tage einen Spucktest. Es kann doch niemand sagen, dass deswegen jemand vom Parlament ausgeschlossen wird.» Jene, die die Vorlage ablehnten, würden eine eigentliche Grundsatzdebatte über die Sinnhaftigkeit der Corona-Massnahmen führen – was dem Parlament kein gutes Zeugnis ausstelle.
Widerspruch gab es von diversen SVP-Vertretern. Gregor Rutz (SVP/ZH) verwahrte sich davor, «in einer operativen Hektik Gesetze zu verabschieden, die eigentlich gar nicht nötig wären.» Durch das Parlamentsrecht und die Verfassung sei man verpflichtet, an Sessionssitzungen teilzunehmen.
Es darf nicht sein, dass jemand, der sich nicht testen oder impfen lassen will, vor verschlossenen Türen bleiben muss.
Das Parlament zur «3G-Zone» zu erklären, sei verfehlt, so Rutz weiter. «Es darf nicht sein, dass jemand, der sich nicht testen oder impfen lassen will, vor verschlossenen Türen bleiben muss.» Deswegen sei er dankbar, dass der Ständerat diese Schwachstelle beseitigt habe – also den Zugang mit Masken zum Bundeshaus erlaube. «Zudem ist es fraglich, ob Massnahmen bei einer geschätzten Impfquote von 90 Prozent im Parlament überhaupt nötig sind.»
Corina Gredig (GLP/ZH) plädierte im Namen ihrer Partei dafür, die Ausnahmeregelung des Ständerats zu übernehmen, um möglichst niedrige Hürden für die Teilnahme am Ratsbetrieb aufzustellen. Balthasar Glättli (Grüne/ZH) sagte: «Die Zertifikatspflicht ist keine neue Einschränkung, sondern eine neue Freiheit: Denn die Alternative ist, dass man die Freiheiten sämtlicher Menschen einschränkt.»
Zertifikat statt Plexiglas
Das Zertifikat biete eine grössere Sicherheit als Plexiglaswände, die fortan entfernt werden könnten, so Glättli weiter. Es sei also eine Frage der Verhältnismässigkeit, das Zertifikat auch im Parlamentsbetrieb einzuführen. Auch Glättli sprach sich aber dafür aus, dass der Zutritt mit Maske erlaubt werden sollte.
FDP-Nationalrat Kurt Fluri mahnte, die eigene Bedeutung für das Volk zu überschätzen und kritischer Medienberichterstattung einfach Folge zu leisten. Man solle pragmatische Entscheide treffen, die den Ratsbetrieb unter Corona-konformen Bedingungen sicherstellten. Auch Fluri sprach sich im Namen seiner Partei dafür aus, dem Ständerat zu folgen und den Zugang mit Maske zu erlauben.