Im Schweizer Strafrecht gilt ein Sexualdelikt nur dann als Vergewaltigung, wenn Nötigung vorliegt – also Gewalt, Gewaltandrohung oder psychischer Druck. Dass ein Opfer klar Nein gesagt hat, reicht nicht.
Agota Lavoyer von der Opferhilfe Lantana berät täglich Opfer sexueller Gewalt. Die Täter gehen meist straffrei aus, weil es im Sexualstrafrecht die Anwendung von Gewalt braucht, damit eine Vergewaltigung vorliegt.
Doch viele Frauen wehren sich nicht, erklärt Lavoyer. «Die meisten Frauen werden überrumpelt, da sie den Angriff nicht erwarten. Dadurch geraten sie in eine Schockstarre oder Lähmung und können sich nicht körperlich wehren.»
Zeit reif für modernes Sexualstrafrecht
Laut einer repräsentativen Umfrage von Amnesty International erstatten bei ungewollten sexuellen Handlungen lediglich acht Prozent der Opfer eine Strafanzeige. Der Hauptgrund laut Opferstelle Lantana: Die mutmasslichen Täter gehen meist straffrei aus.
So wurden im letzten Jahr 626 Vergewaltigungen angezeigt, 91 Täter wurden verurteilt. Das sind 14.5 Prozent. Bei der Opferhilfe geht man davon aus, dass einer von zehn Tätern verurteilt wird. Deshalb bringen sich heute die Opferhilfestellen in die politische Debatte ein.
Die Zeit sei reif für ein modernes Sexualstrafrecht. Das gegenseitige Einverständnis müsse ausschlaggebend sein. Dieses Prinzip des «Nein heisst Nein» gilt in vielen europäischen Ländern, unter anderem in Deutschland, Grossbritannien, Schweden und Irland.
Ohne Einwilligung ist es strafbar
Kritiker sagen, dass man sich durch diese Anpassung nur noch mit Anwalt ins Schlafzimmer traut. Agota Lavoyer von Lantana widerspricht. «Bei anderen Straftatbeständen gibt es das schon heute. Bei Hausfriedensbruch ist es klar: Wenn jemand reinkommt, ohne dass ich eigewilligt habe, ist es strafbar. Genau das soll auch im Sexualstrafrecht gelten.»
Das Parlament ringt um eine Revision des Sexualstrafrechts – Opferhilfestellen fordern von der Politik jetzt rasch Anpassungen.