Wie im Wintermärchen: Bei tanzenden Schneeflocken eröffnet der ägyptische Investor Samih Sawiris am Samstag eine neue Einkaufsmeile in Andermatt. «Das ist ein Traum für mich», sagt er freudestrahlend. Das Publikum, darunter viele Einheimische, klatscht ihm zu. Doch wie alle guten Märchen hat auch jenes von Andermatt seine Schattenseiten.
Audi-Showroom im Bergdorf
Über 1.5 Milliarden Franken hat Samih Sawiris die letzten 20 Jahre in Andermatt investiert. Er liess damit einen komplett neuen Dorfteil aus dem Boden stampfen – das Quartier Reuss. Es liegt direkt beim Dorfeingang, etwas abseits vom Kern. Deutlich zu erkennen an den vielen grossen und modernen Bauten.
Die letzte Erweiterung des neuen Quartiers ist die Furkagasse, die Sawiris am vergangenen Wochenende eröffnen konnte. Zu dieser Furkagasse gehört eine Einkaufsmeile mit Luxus-Geschäften, Gourmetrestaurants und einem Audi-Showroom. «Der wichtigste Teil des Projekts», wie Sawiris sagt. Zielpublikum sind klar wohlhabende Touristinnen und Touristen. Solche Läden seien wichtig für Andermatt, so Sawiris. «Es kann nicht alles nur billig sein und es kann nicht alles nur Luxus sein. Die Mischung macht einen Ort reich.»
Steigende Immobilienpreise
Die Andermatter Bevölkerung steht hinter Samih Sawiris, bei einer Mehrheit geniesst er mittlerweile starken Rückhalt. Man rechnet dem Ägypter hoch an, dass er in ihrem Dorf so viel Geld investierte. Andermatt hatte es dringend nötig, nachdem mit der Armee eine wichtige Arbeitgeberin nach und nach weggezogen war. Bei der Eröffnungsfeier der Furkagasse braust Sawiris denn auch immer wieder Applaus entgegen.
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Bild 1 von 4. Für Samih Sawiris ist die neu eröffnete Furkagasse das Herzstück des neuen Dorfteils. Es haben sich hier drei Restaurants oder Bars, sowie sieben Geschäfte einquartiert. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 4. Die Kleider, die verkauft werden, sind dem oberen Preissegment zuzuordnen. Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 4. Die deutsche Automarke Audi erhofft sich, mit einem Showroom an der Furkagasse, neue Kunden anlocken zu können. Bildquelle: SRF.
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Bild 4 von 4. Das Quartier Reuss (oben im Bild), das Sawiris aus dem Boden stampfen liess, liegt etwas abgelegen vom historisch gewachsenen Andermatter Dorfkern. Bildquelle: SRF.
Kritische Stimmen gibt es trotzdem. Mit jedem Hotel, jedem Restaurant und jedem Appartement-Komplex, das Sawiris baut, gleicht das Bergdorf immer stärker einem Luxusresort. Das hat Konsequenzen für die Einheimischen: Die Mieten und Immobilienpreise steigen deutlich. Im besagten Reussquartier beispielsweise liess Sawiris fünf Häuser mit rund 60 Wohnungen errichten. Quadratmeterpreis: 20'000 Franken, vor 10 Jahren war es noch halb so viel. Auf einem Immobilienportal sind 4.5-Zimmer-Wohnungen für über 2 Millionen Franken gelistet.
Gemeindepräsident ist zuversichtlich
Auch bei herkömmlichen Mietwohnungen werden die Preise zum Problem. «Wenn ich sehe, dass eine 2.5-Zimmer-Wohnung 1800 Franken im Monat kostet, finde ich das schon ein bisschen übertrieben», sagt eine Einheimische gegenüber SRF. Ein Mann fügt an, man brauche mittlerweile Beziehungen, um an eine günstige Wohnung zu kommen. Dasselbe gelte für Wohneigentum, sagt eine andere Frau. «Ältere Leute, die ihre Häuser verkaufen, verkaufen diese natürlich dem Meistbietenden. Ein Einheimischer hat praktisch keine Möglichkeit mehr, etwas zu kaufen.»
Der Gemeindepräsident von Andermatt, Peter Baumann, sieht diese Sorgen der Einheimischen. «Mit der Entwicklung steigen natürlich auch die Preise. Wir probieren dem entgegenzuwirken, indem die Gemeinde selbst Gebäude erworben hat für Familien und Einheimische.» Er sehe jedoch vor allem Vorteile in der Entwicklung von Andermatt. Die Eröffnung der Furkagasse nennt er ein «Highlight.»
Das Problem wird sich in den kommenden Jahren weiter zuspitzen. Denn Samih Sawiris ist noch nicht fertig mit seinen Plänen für Andermatt. Gebaut wird weiter: Ein Hotel, eine weitere Gasse, ein Sportzentrum und dann noch ein Hotel.