Mord, Vergewaltigung, Raub: Wer für solch schwere Verbrechen verurteilt wird, kann auf dem Thorberg landen. Beim Gefängnis in Krauchthal BE steht die Sicherheit im Vordergrund. Trotzdem hat sich die berüchtigte Justizvollzugsanstalt, die für elf Kantone der Nordwest- und Innerschweiz zuständig ist, neu ausgerichtet und geht individueller auf die 170 Insassen ein. Die neuen Strukturen sollen auch helfen, auf dem Thorberg wieder Ruhe einkehren zu lassen, denn noch vor ein paar Jahren rumorte es gewaltig.
Nun sei der Thorberg nicht mehr das, was er einmal war, sagt der Direktor Hans-Rudolf Schwarz, der die Führung nach den Unstimmigkeiten übernahm und die Neuausrichtung ausgearbeitet hat: «Im Innern steht kein Stein mehr auf dem anderen.» Schwarz will die geschlossene Vollzugsanstalt weg von einem Massenvollzug hin zu einem «Vollzug nach Mass» bringen.
Aufnahme-Test und individuelle Betreuung
Das neue Modell setzt beim Eintritt der Gefangenen an. «Bisher wurden sie irgendeiner Abteilung, irgendeinem Arbeitsplatz zugeteilt, ohne zu wissen, ob sie dafür geeignet sind», sagt Schwarz.
Es ist zentral, dass wir den Menschen kennen.
Nun wurde für die Insassen ein Assessment-Center eingerichtet, in dem sie genau analysiert werden. «Dort wird geschaut, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten der Gefangene hat. Wie seine Sozial- und Kommunikationskompetenz und was seine Gefährlichkeit ist.» Dazu werde auch der Mensch und seine Vergangenheit begutachtet. «Wir müssen wissen, woher er kommt, in welchen Umständen er lebte. Das ist zentral, um eine Verbindung schaffen zu können.»
Es wurden neue Arbeitsateliers geschaffen, bei denen die Insassen auch eine Berufslehre absolvieren können – in einem ersten Schritt als Bäcker, Koch oder im Facility-Management. «Das ist kompliziert, denn wir müssen die Berufsschule in den geschlossenen Vollzug holen.»
Der Thorberg wird neu ausgerichtet
Das Ziel ist, dass zwar die Sicherheit gewährleistet, aber auch die bestmögliche Voraussetzung geschaffen wird, damit die Gefangenen nach ihrer Haft in die Gesellschaft wieder eingegliedert und nicht wieder kriminell werden.
Jeder Insasse erhält ein «massgeschneidertes» Programm. Dazu wird er anhand von Förderzielen beurteilt. «Ein Ziel ist, dass er pünktlich ist, oder Ordnung hat», erklärt Schwarz. Die Ziele würden wöchentlich überprüft und alle würden wissen, welcher Gefangene an welchen Zielen arbeite.
Neuorganisation auch für die Mitarbeitenden
«In der Vergangenheit hat der Gefangene dem Arbeitsmeister viel Privates erzählt, dem Sozialarbeiter aber nicht.» Nun werde die Zusammenarbeit zwischen den Fachpersonen standardisiert, womit auch das Arbeitsklima unter den Mitarbeitenden besser werden soll.
In der Vergangenheit gab es viel Unruhe unter den Mitarbeitenden. «Das ist etwa die vierte Reorganisation, die ich durchmache», sagt Hans Bernhard, der seit 19 Jahren auf dem Thorberg arbeitet. Die neuen Strukturen begrüsst er aber, weil das Gefängnis bisher altmodisch unterwegs gewesen sei: «Man sprach etwa sehr viele Arreststrafen aus und keine, bei denen man verhandeln konnte.»
Das sagt auch ein Insasse vom Gefängnisrat, der selbst seit 2018 auf dem Thorberg sitzt: «Bei jeder kleinen Auseinandersetzung musste der Insasse drei bis vier Tage in den Bunker.» Mit den neuen Strukturen seien sie nun sehr zufrieden. Sie seien etwa dankbar, dass die Insassen nun 24 Stunden die Möglichkeit hätten, mit ihrer Familie zu kommunizieren: «Das ist sehr schwer zu finden in einem anderen Gefängnis», so der Insasse. Nach einem Test werden die neuen Strukturen defintiv eingeführt.