Es ist die Kehrseite des Berner Velobooms: Die Gegend rund um den Bahnhof Bern ist zugeparkt mit Velos. Dicht an dicht stehen die Fahrräder, teils direkt vor dem Bahnhofseingang, teils kreuz und quer verstreut auf dem Boden. Und behindern so Passantinnen und Passanten.
Um das Velochaos in der selbsternannten «Velohauptstadt» einzudämmen, hat die Stadt in der Welle7 im August 2023 eine neue, 2.4 Millionen Franken teure Velostation mit 600 Plätzen eröffnet. Die SVP hatte dagegen erfolglos das Referendum ergriffen.
Die Nutzung nimmt stetig zu, wir sind sehr zufrieden.
Im Schnitt sei die Velostation bereits zur Hälfte ausgelastet: «Die Nutzung nimmt stetig zu, wir sind sehr zufrieden», sagt Jurgen Mesman, Co-Leiter Verkehrsplanung der Stadt Bern.
Strengeres Veloregime zeigt Wirkung
Bei einem Augenschein vor Ort sind trotz Herbstferien praktisch alle Plätze besetzt. «Die Lage ist perfekt. Zudem ist so mein Velo vor Dieben sicher und vor dem Wetter geschützt», so eine Velofahrerin zu SRF.
Sie habe früher ihr Velo im öffentlichen Raum abgestellt, jetzt nutze sie die neue Station fast täglich. «Wichtig ist sicher auch, dass die Station gratis ist.»
Als weitere Massnahme hat die Stadt Bern vor gut einem Jahr ein strengeres Veloparkregime eingeführt. An bestimmten Orten dürfen Velos nur noch drei Tage abgestellt werden, danach werden sie weggeräumt.
Tische statt Veloabstellhalde
Gleichzeitig hat sie einen Teil der oberirdischen Veloparkplätze auf dem Hirschengraben aufgehoben. «Der Platz war mal ein Platz, heute ist es mehr eine Veloabstellhalde», sagt E-Bike-Fahrer Philipp Roth, als er gerade sein Velo aufschliesst.
Nun geht was: Im Sommer fand auf dem Areal ein EM-Public-Viewing statt. Nun hat die Stadt Tische und Bänke für die Bevölkerung aufgestellt, wo Büroleute etwa ihr Takeaway-Essen verspeisen können.
Aber befeuern die fehlenden Velo-Parkplätze beim Hirschen nicht noch das Velochaos? Jurgen Mesman von der Verkehrsplanung sagt, die Situation habe sich deswegen nicht verschlechtert. Die 600 Veloabstellplätze in der Welle7 und das neue Parkregime zahlten sich aus.
«Die Polizei muss immer weniger Velos einsammeln. Dies ist ein Zeichen, dass die Velofahrenden die neuen Regeln verstehen und akzeptieren.» Man sei aber noch lange nicht am Ziel. «Verhaltensänderungen brauchen Zeit, mittelfristig sind 10'000 Veloabstellplätze rund um den Bahnhof nötig.»
Nicht alle Velofahrer wollen in Station parkieren
Doch es gibt ein Problem: Längst nicht alle Velofahrerinnen und Velofahrer wollen ihre Bikes in einer Velostation abstellen. «Ich bin einfach zu bequem, ich gebe es zu. Für mich ist es einfacher, das Velo draussen im Hirschengraben zu parkieren. So ist das Büro näher, als wenn ich noch zur Velostation muss», sagt Roth.
Bin zu bequem, um das Velo in einer Velostation zu parkieren.
Giona Rinaldi von Pro Velo Bern sagt, Velostationen seien zwar für «gewisse Anspruchsgruppen» eine gute Sache. «Aber das ist bei weitem nicht die Mehrheit der Velofahrenden.» Die Stadt tendiere gerade dazu, attraktive Veloabstellplätze im Freien abzubauen. «Die Parkplätze sind jetzt schon knapp. Es dürfen nicht noch mehr Veloparkplätze wegfallen.»
Jurgen Mesman von der Berner Verkehrsplanung und sein Team werten derzeit den Pilotversuch mit der neuen Velostation und dem verschärften Parkregime aus. Wie es danach punkto Veloparkplätze weitergeht, entscheidet die Berner Stadtregierung.