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Neue Leitung im Baselbiet Jugendanwalt: «Mit dem Urteil fängt der Weg erst an»

Die Jugendanwaltschaften begegnen täglich schweren Themen wie Sucht, Beschaffungsdelikte oder Amokdrohungen. Der Jugendanwalt Lukas Baumgartner arbeitet seit 15 Jahren auf der Jugendanwaltschaft Basel-Landschaft und übernimmt nun die Leitung.

Lukas Baumgartner

Jugendanwalt Kanton Basel-Landschaft

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Lukas Baumgartner arbeitet seit 15 Jahren auf der Jugendanwaltschaft und wird ab Sommer 2025 der leitende Jugendanwalt des Kantons Basel-Landschaft. Die Jugendanwaltschaft hatte in den vergangenen Jahre wiederholt mit sehr vielen Fällen zu kämpfen.

SRF News: Im Moment gibt es immer wieder Amokdrohungen an Schulen, meist Mutproben, zu denen auf Social-Media aufgerufen wird. Welche Rolle spielen die bei Ihrer Arbeit?

Lukas Baumgartner: Man kann nie davon ausgehen, dass es nicht ernst gemeint ist. Wir müssen mit dem schlimmsten Szenario rechnen. Wir probieren möglichst schnell herauszufinden: Muss man die Drohung ernst nehmen oder handelt sich es einfach um einen sehr blöden, nicht zu Ende gedachten Streich. Und wenn man dann mit den Jugendlichen das Delikt bespricht, sind diese häufig sehr betroffen und auch überrascht vom finanziellen Aufwand, der das Ganze mit sich zieht.

Ich frage jeden Jugendlichen, wieso er ins kalte Europa kommt, mutterseelenallein. Die Antworten darauf sind aber sehr verschieden.

Aber wir müssen die Delikte mit viel Aufwand aufklären und wir müssen auch schauen, dass die Streiche nicht zum Schluss den Effekt bringen, den sie beabsichtigen – nämlich, dass die Schulstunden ausfallen.

Ein anderes Thema, das Sie schon länger beschäftigt, sind Jugendliche aus dem Maghreb, die straffällig werden. Wie ist die Situation aktuell?

2023 war ein Rekordjahr, da hatten wir eine Vervierfachung der Haftfälle. Zwischenzeitlich war es etwas besser und jetzt, anfangs 2025, gibt es wieder mehr Fälle. Die Fallzahlen haben sich also auf hohen Niveau stabilisiert. Wir haben immer noch viele junge Flüchtlinge aus dem nordafrikanischen Raum, die leider praktisch alle eine mittlere bis schwere Betäubungsmittel- oder Medikamentenabhängigkeit mitbringen.

Amokdrohungen betreffen die ganze Schweiz

Sie sagen Entspannung auf dem hohen Niveau, können Sie das in einen grösseren Zusammenhang stellen?

Nein, das wissen wir nicht. Die Flüchtlingsströme sind auch in der europäischen Politik ein Rätsel. Wir wissen nicht, wann wie viele Menschen unterwegs sind und wieso sie in die Schweiz kommen. Die Gründe dafür sind immer nur Spekulationen. Ich frage jeden Jugendlichen, wieso er ins kalte Europa kommt, mutterseelenallein. Die Antworten darauf sind aber sehr verschieden.

Die öffentliche Debatte zum Thema ist sehr emotional, schwankt zwischen Angst vor Straftaten und Mitleid mit den Schicksalen: Welche Rolle spielen diese Gefühle bei Ihrer Arbeit?

Sie spielen immer eine Rolle! Gerade im Jugendstrafrecht wird ja auch viel Gewicht auf Schutz und Erziehung des Jugendlichen gelegt. Zum Teil kommen erbärmliche Gestalten zu uns in die Haft. Sie sind auf Entzug von Betäubungsmitteln und schreien und flehen. Das geht nicht spurlos an uns vorbei!

Der spannende Teil kommt, wenn wir mit dem Jugendlichen seine Zukunft anschauen und anfangen diesen Weg gemeinsam zu gehen.

Und gleichwohl begehen die Jugendlichen vorher, um ihre Sucht zu befriedigen, zum Teil wirklich schwere Vermögensdelikte. Da ist klar: Das sind dann keine Fälle, wo es mit einem Tag ausnüchtern und einem Verweis getan ist. Die Jugendlichen müssen dann ins Gefängnis, oft für mehrere Monate.

Mann steht vor einem Schild mit der Aufschrift «Jugendanwaltschaft Basel-Landschaft»
Legende: Lukas Baumgartner vor der Jugendanwaltschaft in Liestal, Kanton Basel-Landschaft SRF/Lisa Garberson

Sie haben also einen schwierigen Job – Sie sperren straffällige Jugendliche ein – wieso machen Sie diesen Job dennoch gerne?

Den Job mache ich gerne, weil mit einer angeordneten Haft, die Geschichte noch nicht fertig ist. Die Geschichte fängt dort erst an. Am Anfang müssen wir relativ streng einsteigen, damit auch deutlich wird: Jetzt hast du eine Grenze überschritten. Aber der spannende Teil kommt, wenn wir mit dem Jugendlichen seine Zukunft anschauen und anfangen, diesen Weg gemeinsam zu gehen. Und diese Geschichten haben häufiger ein schönes Ende, als man vielleicht denkt.

Das Gespräch führte Lisa Garberson.

SRF 4 News, 5 Uhr, 04.03.2025 ; 

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