Bei der Sozialhilfe hatten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine bislang einzelne Privilegien. Die Behörden hatten ihnen anfänglich das Auto nicht als Vermögen an die Sozialhilfe angerechnet. Diese Ungleichbehandlung war umstritten, weshalb die Kantone ihre Empfehlungen Ende letzten Jahres geändert haben.
Neu sollen Ukrainerinnen und Ukrainer ihr Auto verkaufen müssen, wenn sie weiter Sozialhilfe erhalten wollen. Diese strengeren Regeln für ukrainische Sozialhilfebezügerinnen und -bezüger mit Auto gelten seit einigen Monaten. Und seither schauen die Sozialbehörden genauer hin.
Betroffene wehren sich gegen Autoverkauf
Einen Autoverkauf hätten die Berner Behörden bislang zwar noch nicht verfügt, sagt Gundekar Giebel von der kantonalen Sozialdirektion. Rund ein Dutzend Fälle sei aber hängig, denn viele Betroffene würden sich gegen einen Verkauf wehren.
«Es werden Papiere vorgelegt, die zeigen, dass die Fahrzeuge jemandem in der Ukraine gehören oder dass sie geleast sind. Es ist wirklich schwierig», so Giebel. Mehrere Betroffene hätten ihr Auto auch in die Ukraine zurückgebracht, nachdem sich das Sozialamt gemeldet habe.
Umfrage: Bislang kein Auto verkauft
Radio SRF hat bei sieben grösseren Kantonen und Städten angefragt. Keine Behörde meldet, dass bereits ein Auto verkauft worden sei. Fast alle aber prüfen einige Fälle. Am aktivsten ist der Kanton Waadt. Dort erwägen die Sozialbehörden bei fast 50 Flüchtlingen einen Autoverkauf.
Die wenigsten Fahrzeuge sind so viel wert, dass es sich lohnt, das Auto in der Schweiz zu verkaufen.
Doch fast alle angefragten Stellen berichten von grossen praktischen Schwierigkeiten. Sofern ein Auto überhaupt dem Sozialhilfebezüger selbst gehöre, komme meist ein weiteres Problem hinzu, sagt etwas die Asylkoordinatorin von Basel-Stadt, Renata Gäumann. «Die wenigsten Fahrzeuge sind so viel wert, dass es sich lohnt, das Auto in der Schweiz zu verkaufen.»
Der Wert des Autos müsste den Vermögensfreibetrag der jeweiligen Haushaltsgrösse übersteigen, so Gäumann, «und das ist in den meisten Fällen nicht gegeben. Das sind keine Luxusautos».
Gleichbehandlung bei Sozialhilfe schwierig
Der Kanton Genf hat schon Verkäufe gestoppt, weil die jeweiligen Autos zu wenig Wert hatten. Ukrainische Kriegsflüchtlinge beim Auto gleichzubehandeln wie einheimische Sozialhilfebeziehende erweist sich in der Praxis als schwierig.
Gäumann vom Kanton Basel-Stadt bilanziert, dass es richtig sei, es dennoch zu versuchen. Es sei jedoch auch wichtig, «jeden Einzelfall mit Augenmass zu prüfen. Und die Entscheide müssen in einer gesunden Verhältnismässigkeit stehen», so Gäumann.
Es zeichnet sich ab, dass es nur wenige Zwangsverkäufe geben dürfte. Die Kantone schätzen derweil, dass höchstens jeder zehnte ukrainische Haushalt in der Schweiz ein Auto zur Verfügung hat. Die Autodiskussion betrifft somit nur eine Minderheit der ukrainischen Kriegsflüchtlinge.