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Neue Swissmedic-Überprüfung Schönheitspraxen: Über die Hälfte keine Qualifikation für Filler

Schönheitsbehandlungen wie Unterspritzungen mit Filler liegen im Trend. Doch eine Überprüfung stellt gravierende Mängel in Beauty-Einrichtungen fest. Diese können für Patientinnen und Patienten schwerwiegende Folgen haben.

Das zeigt die Überprüfung: Das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic und die kantonalen Behörden kritisieren Schweizer Schönheitspraxen. Über die Hälfte – rund 55 Prozent – der untersuchten Betriebe hätten nicht die fachliche Qualifikation, um sogenannte Filler anzuwenden, heisst es in einem neuen Bericht.

Social-Media-Trend Filler

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Auf Social Media, beispielsweise Tiktok, gibt es Hunderttausende Videos zu Lip Filler. Damit werden die Lippen unterspritzt, um vollere oder symmetrischere Lippen zu formen.

Neu ist der Trend zwar nicht wirklich: Auf Google wird der Suchbegriff Lipfiller weltweit seit vielen Jahren nachgefragt. Die Suchhäufigkeit steigt aber seit Jahren kontinuierlich an.

Was sind Filler? Filler sind gelartige Substanzen, die in die Haut gespritzt werden, um Hautfalten zu glätten oder Lippen und Wangen aufzufüllen. Sie gelten als Medizinprodukte. Die meisten bestehen aus Hyaluronsäure und verbleiben etwa 6 bis 18 Monaten im Körper.

«Diese Zahlen sind sehr besorgniserregend», sagt Bereichsleiterin Karoline Mathys von Swissmedic. 93 Prozent der unzulässigen Anwendungen fanden in Kosmetikstudios statt.

Welche Praxen und Kliniken hat man untersucht? Inspiziert und auf die Anwendung von Fillern überprüft wurden im Jahr 2024 insgesamt 82 Kliniken, Arztpraxen und Kosmetikstudios. Die Kontrollen erfolgten national abgestimmt durch die kantonalen Behörden sowie das Amt für Gesundheit Liechtenstein und Swissmedic. Die Kantone wählten die Einrichtungen grösstenteils aufgrund von Meldungen aus der Öffentlichkeit sowie Recherchen in sozialen Medien aus.

Welche Qualifikationen braucht man für die Filler-Behandlung? Kosmetikerinnen und Kosmetiker verfügen NICHT über die nötige Qualifikation. Für die Behandlung muss eine Ärztin oder Arzt vor Ort sein und die Behandlung selbst durchführen oder eine diplomierte Pflegefachperson beaufsichtigen.

Kosmetikerin injiziert Frau in Gesicht.
Legende: In mehr als der Hälfte der inspizierten Schönheitsbetrieben verfügten die Anwender nicht über ausreichende Qualifikation, um Filler anzuwenden. IMAGO / Depositphotos

«Man muss sich mit der Anatomie des Gesichts sehr gut auskennen», betont auch Mandana Péclard, leitende Ärztin der Praxis am Paradeplatz. Dafür brauche es neben einer medizinischen Ausbildung auch praktische Übung an einem Kadaver, damit man die verschiedenen Schichten des Gesichts verstehe.

Schwerwiegende Folgen für Gesundheit möglich: Filler werden meist ins Gesicht injiziert – und damit in einen Bereich, der von vielen Nerven und Blutgefässen durchzogen ist.

Trifft man mit einer scharfen Nadel eine Arterie, die durch das Hyaluronsäure-Gel verstopft, kann das bis zur Erblindung führen.
Autor: Mandana Péclard Fachärztin Praxis am Paradeplatz

Eine Fillerinjektion an der falschen Stelle kann zu schwerwiegenden Gesundheitsschäden führen. «Mit Spritzen im Gesicht muss man äusserst sorgfältig umgehen. Trifft man mit einer scharfen Nadel eine Arterie, die durch das Hyaluronsäure-Gel verstopft, kann das zu Gewebezerfall bis zur Erblindung führen.» Die ganze T-Zone sei eine Gefahrenzone im Gesicht. «Wenn etwas schiefläuft, muss der Behandelnde das auch umgehend erkennen», so Péclard. Auch dafür brauche es Erfahrung und eine sofortige Nachbehandlung mit dem Gegenprodukt – der Hylase. Doch dieses Medikament sei ein rares Produkt und in unseriösen Studios gar nicht verfügbar.

Nicht immer nachweisbare Bezugsquelle der Filler

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Laut Untersuchung von Swissmedic und der Kantone wurden 87 Prozent der Filler in der Schweiz oder der Europäischen Union bezogen. In 13 Prozent der Fälle aber konnten die Betriebe die Bezugsquelle nicht nennen.

«Da Kosmetikstudios keine medizinischen Produkte der Pharmafirmen beziehen können, injizieren sie möglicherweise Produkte, die in der Schweiz noch nicht einmal auf dem Markt oder geprüft sind», sagt Fachärztin Mandana Péclard.

Auch Mathys von Swissmedic warnt, eine falsche Anwendung könne zu Nervenschädigungen oder zu bleibenden Lähmungen führen.

Hier finden Sie den Bericht von Swissmedic

Daneben kann es zu weniger gravierenden ästhetischen Problemen kommen: «Filler können bei falscher Injektion in andere Gesichtsregionen migrieren und die Lippen und Wangen werden häufig überspritzt», so Péclard.

Wann sollte man skeptisch werden? «Wenn die Preise zu günstig sind, ist Vorsicht geboten», sagt Fachärztin Mandana Péclard. Angebote für Lippenaufspritzen für beispielsweise 200 Franken seien nie seriös. «Auch wenn es Preise pro injizierten Milliliter gibt, sollte man die Finger davon lassen.» Als Arztpraxis böte man eine Behandlung an und verkaufe keine Produktmengen.

Wurden die fehlerhaften Betriebe geschlossen?

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«Die kantonalen Behörden sind für die Überwachung der Anwendung und Abgabestellen zuständig. Sie werden entsprechende Verfahren einleiten, um diese unzulässige Anwendung zu unterbinden», sagt Mathys von Swissmedic.

Das heisst, die Kantone ergreifen, je nach Schwere der festgestellten Verstösse, Massnahmen, die von Mahnungen über die Beschlagnahmung von Produkten bis hin zu strafrechtlichen Konsequenzen wie Geldstrafen reichen.

Die kantonalen Behörden würden die laufende Überwachung laut Swissmedic fortführen wollen. Wegen der Vielzahl neuer Betriebe werde dies jedoch immer aufwendiger, sagt Mathys.

Hat man zu lange weggeschaut? «Die Behandlungen werden zwar schon länger durchgeführt», sagt Mathys. Doch nun gebe es immer mehr Anbieter. Der Boom führe dazu, dass viele dieses Geschäft ausnutzen wollten.

SRF 4 News, 05.02.2025, 17 Uhr;stal

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