Die Bedrohung der Schweiz durch Spionage geht laut Bericht hauptsächlich von Nachrichtendiensten Russlands und Chinas aus. Im Falle Russlands sind die Nachrichtendienstler demnach oft Angestellte von Botschaften und Konsulaten. Sie bewegten sich mit diplomatischer Immunität, rekrutierten und führten ihre Quellen.
Ein Drittel des Botschaftspersonals sind Agenten
Viele europäische Staaten haben letztes Jahr teils Dutzende russische Diplomatinnen und Diplomaten ausgewiesen. Aus der Schweiz ist dies nicht bekannt. Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) schreibt nun: Von den 220 Personen, die in den russischen Vertretungen in Genf und Bern arbeiten, seien wahrscheinlich rund ein Drittel für russische Nachrichtendienste tätig, also über 70.
Die Schweiz gehöre, so schreibt der NDB, europaweit zu jenen Ländern, in denen am meisten russische Nachrichtendienstangehörige eingesetzt würden. Das liege auch an ihrer Rolle als Gaststaat zahlreicher internationaler Organisationen.
Europaweit sei die Arbeit russischer Nachrichtendienstler erschwert worden, aber der Krieg eröffne neue Möglichkeiten: So könnten Nachrichtendienste die Fluchtbewegung nutzen, um Agenten getarnt als Flüchtlinge nach Europa zu schleusen. Konkrete Fälle in der Schweiz beschreibt der NDB keine.
Im Ausblick schreibt der NDB, den russischen Nachrichtendiensten stünde in der Schweiz «sehr wahrscheinlich mehr Spielraum zur Verfügung», als in anderen westlichen Staaten.
Cyberangriffe auf kritische Infrastruktur
Zudem bleibe die Bedrohung für kritische Infrastrukturen in der Schweiz erhöht, schreibt der NDB. Eine Bedrohung im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine bleibe aber «sehr unwahrscheinlich». Ein Risiko seien «Spillover-Effekte», etwa Cyberangriffe in Staaten, die die Ukraine unterstützen und somit Auswirkungen auf die Infrastruktur der Schweiz hätten. Der NDB nennt keine Beispiele, denkbar wäre allerdings ein Stromausfall nach einem Hackerangriff in einem Nachbarland, der zu einem grossflächigen Netzausfall führen könnte.
Nicht unterschätzt werden dürften Aktivitäten von nicht staatlichen Akteuren, die sich im Krieg engagieren. Das ist diplomatisch formuliert, gemeint sind wohl private Hackergruppen – aufseiten Russlands oder der Ukraine. Auch wenn hinter Cyberangriffen meist finanzielle Motive stünden, so schliesse dies andere Motive wie Machtpolitik nicht aus, schreibt der NDB. Das erinnert an die Cyberangriffe auf Websites von Bundesbehörden vor kurzem.
Über Tarnfirmen an Schweizer Rüstungstechnologie
Der NDB habe einen Schwerpunkt gelegt, um Güter zu erkennen, die die kriegsführenden Parteien zugunsten einer sanktionierten militärischen Verwendung einsetzen könnten. Das heisst: Die Ukraine und Russland sollen in der Schweiz keine Waffen oder Waffenteile kaufen können, auch nicht über verdeckte Kanäle.
Genau dies versuche Russland aber offenbar, wie aus dem NDB-Bericht hervorgeht: «Firmen in den Staaten der Eurasischen Wirtschaftsunion [Armenien, Belarus, Kasachstan, Kirgistan, Russland / Anm. d. Red] treten vermehrt als vermeintliche Endkunden für Waren auf, die dann weiter nach Russland gehen.» Auch die Türkei und Indien würden von Privatpersonen so genutzt, schreibt der NDB. Die Kontrollen müssten daher ausgeweitet werden.
Neben der Prävention von Proliferation in Staaten wie Iran, Nordkorea dominiert neu auch Russland diesen NDB-Bereich. Das dürfte einige Zeit so bleiben. Der NDB führt deshalb auch ein Präventionsprogramm weiter, in dem Schweizer Firmen sensibilisiert werden.