Andrea Caroni liegt mit seinen 44 Jahren unter dem Altersdurchschnitt im Parlament. Trotzdem gilt der Ausserrhoder Ständerat als langgedienter Parlamentarier: Seit 13 Jahren ist er in Bern, seit neun Jahren im Ständerat. Turnusgemäss wurde er am ersten Tag der Dezembersession vom Vize- zum Präsidenten des Ständerats gewählt.
Für seine politische Arbeit habe er drei Leitsterne, sagt Andrea Caroni: den Kanton Appenzell Ausserrhoden, den Liberalismus und die Liebe zu den Institutionen, wie dem Rechtsstaat, der Demokratie und dem Föderalismus.
Als im Sommer einige Parlamentsmitglieder eine Initiative der Juso zur Erbschaftssteuer für teilweise ungültig erklären wollten, hielt Caroni dagegen. Die Initiative sei zulässig, auch wenn er als Vizepräsident der FDP Schweiz inhaltlich gegen die Initiative sei. «Auch wenn mir die Meinung des Anderen nicht passt, so schütze ich doch den Rahmen, in dem er sie einbringen kann», sagt der promovierte Jurist.
Die Demokratie wäre abgeschafft.
«Wenn ich nur Initiativen zulasse, die mir passen, dann braucht es auch keine Initiativen mehr, dann entscheidet einfach die Mehrheit im Parlament. Die Demokratie wäre abgeschafft.» Und das sei sein grösstes Schreckensszenario: Eine Diktatur. Auch wenn er die Schweiz nicht akut gefährdet sehe, müsse man doch den Rechtsstaat verteidigen.
Sucht nicht den schnellen Kick
Andrea Caroni gilt als Liberaler durch und durch, als dossiersicher, als emotional engagiert in der Sache. Ob für die Unterstützung der Ukraine mit Waffen oder für härtere Regeln für Manager von Grossbanken. Andrea Caroni ist ein Schnelldenker und zuweilen auch Schnell-Sprecher. Trotzdem fühle er sich in den langsamen Schweizer Politprozessen wohl: «Ich suche hier nicht den schnellen Kick. Den kriege ich anderswo im Sport oder in meinem Beruf als Anwalt.»
In der Politik mahlen die Mühlen zu Recht langsam.
«Ich mag das schnelle Resultat, aber in der Politik mahlen die Mühlen zu Recht langsam. Sie könnten manchmal etwas schneller sein, aber viel schneller auch nicht.» Ein Beispiel ist Caronis Vorschlag für einen sogenannten «Pacs», einen Vertrag für Paarbeziehungen. Den ersten Vorstoss dazu hat er 2015 eingereicht. Erst kürzlich – neun Jahre später – wurde das Thema in der zuständigen Ständeratskommission beraten.
Musik als verbindendes Element
Aus seiner Begeisterung für die Institutionen habe er sich um den Posten im Büro des Ständerats beworben. Hier könne man in den Maschinenraum des Rats schauen. Zusammenarbeit und Zusammenhalt seien ihm wichtig, sagt Caroni.
Menschen, mit denen man gesungen hat, auf die kann man nicht persönlich böse sein.
Aus diesem Grund habe er damals auch die Bundeshausband gegründet. Diese führt jede Session einen Singabend durch: «Menschen, mit denen man gesungen hat, auf die kann man nicht persönlich böse sein oder sie in der Debatte dämonisieren.»
Am Singabend seien zwar politische Themen tabu. Hie und da müsse man aber gemeinsam lachen, wenn mit «Über den Wolken» auch grüne Kolleginnen und Kollegen eine Hymne aufs Fliegen anstimmen oder auch bürgerliche Parlamentarier das links gefärbte Lied «Bella Ciao» mitsingen.
In seinem Präsidialjahr wolle er den Ständerat wie eine Band leiten. Er wäre dabei der Schlagzeuger. Dieser zählt das Stück ein, gibt den Takt vor und hält ihn. «Gemeinsam mit Keyboard und Gitarre, also dem Sekretariat, legt er den Boden dafür, dass die anderen zum Solo ansetzen können.» Und Schlagzeugsoli, die seien schliesslich selten. Genau so, wie sich der Ständeratspräsident im Plenum aus der Diskussion heraushalten muss.