Rückweisungen an sich sind nichts Schlechtes. So können Entscheide präzisiert oder überarbeitet werden. Doch die Frage stellt sich, wieso es prozentual so viel mehr Rückweisungen gibt als unter dem alten Asylrecht. Nun kann man sagen, es sei noch zu früh, um Schlüsse zu ziehen. Eine Standortanalyse ist aber möglich. Vor der Einführung des neuen Asylgesetzes gab es nämlich hitzige Diskussionen zu jedem Detail des neuen Gesetzes. Nun wurde es still. Eine Veränderung in diesem Ausmasse sollte aber auch von der Öffentlichkeit begleitet werden.
Grosser Druck im Verfahren
Im neuen beschleunigten Asylverfahren soll ein Entscheid innerhalb von 140 Tagen ergehen. Eine sehr kurze Zeit, um Lebensgeschichten und Fluchtgründe zu analysieren und Auskünfte aus Ländern zu bekommen, wo Krieg und Unsicherheit herrscht. Länderinformationen, auf welche das SEM (Staatssekretariat für Migration) die meisten Entscheide stützt, reichen nicht für die Beurteilung der individuellen Situation einer geflüchteten Person.
Gerade vulnerable Gruppen wie LGBT-Menschen, Frauen, Menschen mit Behinderung oder Folteropfer kommen dort oftmals zu kurz. 140 Tage erscheinen also sehr knapp, um zu entscheiden, ob jemand Anrecht auf Asyl hat oder nicht. Ist der Fall zu komplex oder eben zu aufwändig, könnte das SEM diesen ins erweiterte Verfahren überführen. Der Druck, so viele Fälle wie möglich im beschleunigten Verfahren abzuhandeln, ist aber seit jeher gross.
Auch das Bundesverwaltungsgericht muss neu – je nach Verfahren – innerhalb von fünf, 20 oder 30 Tagen entscheiden. Auch wenn es sich bei den Fristen für SEM und Bundesverwaltungsgericht nur um Ordnungsfristen handelt – sie sind also nicht rechtlich bindend – ist der Druck hoch, die Fristen einzuhalten. Zusätzliche Abklärungen des Sachverhalts sind in dieser Zeit nur begrenzt möglich. Eine Rückweisung ist fast der einzige Ausweg.
Doppelspurigkeit wegen Rückweisungen
Das Asylverfahren zu beschleunigen war bitter nötig, denn noch heute gibt es Asylsuchende, die ihr Gesuch unter dem alten Asylgesetz eingereicht haben und über drei Jahre auf ihren Entscheid warten. In dieser ungewissen Zeit dürfen die oftmals traumatisierten Menschen nicht arbeiten, haben kaum finanzielle Unterstützung und leben unter oftmals prekären Bedingungen – noch immer gibt es Bunker, die als Asylunterkünfte dienen.
Angesichts dessen sind kürzere Asylverfahren auch positiv für die Asylsuchenden. Das Asylverfahren hätte aber auch beschleunigt werden können, wenn die Fristen nicht ganz so kurz wären. Denn wenn kurze Fristen durch Rückweisungen zu Doppelspurigkeiten führen, mag das schlecht für die Statistik sein – wenn aber falsche Entscheide gefällt werden, weil Sachverhalte nicht genug abgeklärt werden, leiden die Asylsuchenden.