Misshandlungen, Schläge, illegale Push-Backs und ein nicht funktionierendes Asylsystem. Die Vorwürfe gegen Kroatien sind happig. Berichte von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, der EU-Sonderberichterstatterin und verschiedene Medienberichte dokumentieren schon seit Längererem die prekäre Situation. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe rät von Rückschaffungen ab.
SRF dokumentierte bereits im Mai die illegalen Push-Backs von Kroatien nach Bosnien. Später bestätigte die kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović in einem Interview die verbotenen Rückschaffungen und liess verlauten, dass es dabei eben «ein bisschen Gewalt» brauche.
Systematische Mängel im Asylsystem
Diese Berichte nahm nun auch das Bundesverwaltungsgericht in zwei Urteilen auf. Es ging um zwei Asylsuchende, die auf ihrer Reise in die Schweiz Kroatien durchquerten. Einen Asylantrag stellten sie dort nicht, ihr Ziel war die Schweiz. Trotzdem wollte sie das SEM dorthin zurückschicken.
Die Dublin-Verordnung sieht bei systematischen Mängeln im Asylsystem eines Landes, die Möglichkeit eines Selbsteintritts vor. Das heisst die Schweiz müsste den Fall, für den eigentlich ein anderes Land zuständig wäre, übernehmen. Die Hürden dafür sind hoch. Und doch zieht das Bundesverwaltungsgericht genau das in Betracht. Europaweit gab es noch kaum Gerichte, welche die Missstände in Kroatien so klar benannten.
Bei einem der Urteile ging es hauptsächlich um individuelle Vorbringen. Der Asylsuchende hatte medizinische Probleme und machte geltend, dass diese in Kroatien nicht behandelt werden könnten. Und als homosexueller Mann sei es für ihn in Kroatien und den dortigen Asylunterbringungen nicht sicher.
Polizeigewalt und Push-Backs
Im andern Fall geht es um generellere Vorwürfe. Der syrische Staatsangehörige erklärte in der Beschwerde, dass er in Kroatien «Unvorstellbares» erlebte. Er habe 18-mal vergeblich versucht, nach Kroatien einzureisen. Die kroatische Polizei habe ihn jedes Mal zurück an die bosnische Grenze geschafft. Polizisten hätten ihn gequält und erniedrigt, das Wenigste sei dabei gewesen, dass sie auf ihn uriniert hätten.
Diese Vorwürfe decken sich mit den Berichten verschiedenster Organisationen. Deshalb forderten diese Woche die SP-Politikerinnen Samira Marti und Mattea Meyer von Rückschaffungen nach Kroatien abzusehen. Während der Fragestunde reichten sie ihre Bedenken zum Vorgehen ein. Der Bundesrat und das SEM hielten in einer Antwort fest, dass sie die Situation verfolgten und ihre Praxis bei Bedarf anpassen würden.
Untolerierbare Zustände
Auch aus dem bürgerlichen Lager kam klarer Zuspruch zu einem Rückschaffungsstopp. Kurt Fluri von der FDP erklärte: «Ich gehe davon aus, dass man aufgrund der Einzelfälle auf einen allgemein untolerierbaren Zustand rückschliessen muss. Und unter diesen Umständen bin ich der Meinung, dass man von Rückführungen vorläufig generell absehen sollte nach Kroatien.»
Der SVP-Politiker Heinz Brand erwartet vom SEM, den Vorwürfen genauer nachzugehen. Findet aber auch, dass Kroatien – da es auf der Balkanroute liegt – als Rückführungsstaat erhalten bleiben müsse. Die beiden Fälle liegen nun beim SEM zur weiteren Bearbeitung.