Das Online-Angebot der bürgerlichen NZZ geht raketengleich in den Himmel: Von 2017 bis 2020 legte das Zürcher Portal von zwei Millionen auf über sieben Millionen Unique Clients zu – einer Messgrösse dafür, wie viele Leute auf ein Online-Angebot zugreifen. Die von der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse berechneten Zahlen katapultieren die NZZ in den Schweizer Online-News-Himmel. Dort leuchten 20min.ch, Blick Online und srf.ch, das Online-Angebot von SRF.
Grundversorgung sei nicht kostenlos
Dennoch stellt Avenir Suisse in einer neuen Publikation die These auf: Der Newsmarkt in der Schweiz ist verzerrt. Die SRG sei daran schuld und deshalb müssten die SRG-Angebote hinter eine Paywall, neu also zusätzlich bezahlt werden. «Mit einem Gebührenmodell 2.0 sollen die Wettbewerbsverzerrungen im Onlinebereich reduziert werden», sagt Jürg Müller von Avenir Suisse, der den Vorschlag ausgearbeitet hat.
Mit einem Gebührenmodell 2.0 sollen die Wettbewerbsverzerrungen im Onlinebereich reduziert werden
«Service Public heisst nämlich nicht, dass das Angebot für die Endkunden komplett kostenlos ist», führt Müller aus, «so kostet ja auch das Grundversorgungs-Abo der Swisscom etwas. Wäre das nicht so, würden private Anbieter wie Sunrise aus dem Markt verdrängt werden.»
Die neue Bezahlschranke könnte zum Beispiel die Online-Angebote von Radio SRF 4 News betreffen, das heute sein 15-jähriges Bestehen feiert: Seit rund einem Jahr produzieren die Journalistinnen und Journalisten des Nachrichtensenders ihre Inhalte auch im SRF-Newsroom in Zürich-Leutschenbach, unmittelbar neben den Kollegen von srf.ch und den News-Teams der TV-Nachrichten.
Newsrooms bei den Privaten und der SRG
Der Grund: Nachrichten werden heute in allen grossen Schweizer Medienhäusern integral produziert. Nachrichten von SRF 4 werden auch auf der App online ausgespielt, als Text oder Audio. So spart man Kosten und schafft Synergien.
Alle grossen Schweizer Medienhäuser haben deshalb ihre Redaktionen in Newsrooms vereint: CH Media eröffnete kürzlich in Zürich einen weiteren. Dort werden die Inhalte von Tele Zürich, Radio 24 und der Onlineredaktion auf der neuen Newsplattform «Züri Today» ausgespielt. Vier solcher medienübergreifender Newsrooms betreibt CH Medien bereits in der Deutschschweiz. Nach eigenen Angaben erfolgreich.
Verdrängt SRG Private?
Deshalb bestreitet Medienwissenschaftler Manuel Puppis die These von Avenir Suisse, wonach SRG-Angebote die privaten Medienmacher im Markt zu stark bedrängen würden: «Dieser Verdrängungseffekt wird überschätzt. In anderen Ländern mit einem sehr schwachen Service Public haben private Medien genauso grosse Refinanzierungsprobleme wie in der Schweiz», sagt Puppis. Man könne nicht einfach davon ausgehen, dass, nur weil es einen Service Public gebe, private Medien darunter litten. Tatsächlich hat Avenir Suisse in ihrer über 70 Seiten langen Untersuchung keine Daten präsentiert, die die angenommene Wettbewerbsverzerrung auch tatsächlich belegen.
Dieser Verdrängungseffekt wird überschätzt. In anderen Ländern mit einem sehr schwachen Service Public haben private Medien genauso grosse Refinanzierungsprobleme wie in der Schweiz
Kosten sind noch offen
Offen lässt Avenir Suisse, welche konkreten SRG-Inhalte künftig hinter einer Bezahlschranke verschwinden würden. Und was User dafür neu bezahlen müssten. Es gehe um gleich lange Spiesse zwischen Privaten und der SRG, sagt Jürg Müller. Ob die SRG im Gegenzug auch Online-Werbung verkaufen dürfte, um die Spiesse in dieser Hinsicht auch gleich lang zu machen, behandelt die Avenir-Suisse-Untersuchung nicht. Und auch nicht, ob Userinnen und User das goutieren würden.