Rahmenabkommen, Bilaterale, Forschung, Börse – viele Fragen in den künftigen Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union sind offen. Entwarnung gibt EU-Kommissar Johannes Hahn zum Jahresende jetzt aber an die Adresse der verunsicherten Schweizer Forscher und Universitäten: Die Vollassoziierung an «Horizon Europe» sei – anders als die Börsenäquivalenz – nicht vom Abschluss eines Rahmenabkommens abhängig. Bezüglich Rahmenabkommen werde Brüssel zudem keinerlei Zeitdruck aufbauen.
SRF News: Die Kommission von Frau von der Leyen ist nun seit 20 Tagen im Amt. Wie oft haben Sie mit ihr schon über die Schweiz gesprochen?
Johannes Hahn: Wir haben schon vor ihrem Amtsantritt als Kommissionspräsidentin über die Schweiz gesprochen, bei einem meiner ersten Begegnungen mit ihr im Sommer dieses Jahres. Die Schweiz ist schliesslich auch für uns ein wichtiges Thema.
Haben Sie auch konkrete Ziele formuliert, beispielsweise, dass bis Ende 2020 ein Rahmenabkommen unter Dach und Fach sein soll?
Nein. Weil der Status der ist, dass der Ball bei den Schweizer Freunden liegt. Wir haben im Vorjahr dieses Rahmenabkommen verhandelt. Es liegt nun an der Schweizer Seite, in dieser Frage weiterzugehen. Für uns sind die Verhandlungen abgeschlossen. Wir haben immer erklärt, dass wir nötigenfalls gerne Erklärungen abgeben. Das ist der Status, der auch für die Zukunft gilt.
Es gibt keinen Druck. Es liegt ausschliesslich an der Schweizer Seite, wann sie auf das Thema zurückkommen möchte.
Es gibt in der Zwischenzeit auch die entsprechenden einstimmigen Beschlüsse aller unserer Mitgliedstaaten. Für uns ist die Sachlage klar. Es gibt auch keinen Druck. Es gibt aus unserer Warte keine Notwendigkeit, hier einen Zeitdruck zu entwickeln. Es liegt ausschliesslich an der Schweizer Seite, wann sie auf das Thema zurückkommen möchte.
In der Schweiz sagt die Politik, dass konkrete Schritte beim Rahmenabkommen erst nach der Abstimmung über die Kündigungsinitiative der SVP im Mai möglich seien. Akzeptieren Sie das?
Ja. Absolut. Es ist vollkommen im Ermessen der Schweiz, wann und mit welcher Intensität sie sich mit dieser Frage beschäftigen will.
Trotzdem sagen links und rechts, dass das Abkommen in dieser Form gegen die Wand fahren wird. Das kann ja eigentlich auch nicht das Ziel sein?
Das kann nicht das Ziel sein, aber man muss auch verstehen, dass wir unsere Grenzen haben. Diese wurden ziemlich ausgereizt und deswegen haben wir jetzt auch das vorliegende Verhandlungsergebnis. Wir sind immer zu Klarstellungen bereit, aber an den Eckpfeilern kann sich hier nichts mehr ändern.
Wir sind immer zu Klarstellungen bereit, aber an den Eckpfeilern kann sich hier nichts mehr ändern.
Beim Brexit war die EU auch bereit zu Zusatzverhandlungen, die auch am bestehenden Text etwas verändert haben...
Es gibt immer unterschiedliche Verhandlungsstränge. Das mit der Schweiz vorliegende Abkommen ist aber schon sehr gut, auch wenn ich die Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich nicht vorwegnehmen kann. Die Möglichkeit, vollumfänglich am Binnenmarkt teilzunehmen, sollte schon als sehr attraktiv angesehen werden. Wie ich weiss, wird das auch von der Schweizer Wirtschaft so gesehen. Denn da geht es ja auch um die Sicherung eigener Arbeitsplätze.
Ein grosses Thema für die Schweiz ist die Aktualisierung bestehender Abkommen. Gilt weiter, dass die EU nicht zu Aktualisierungen bereit ist?
Ja. Es gibt einen einstimmigen Beschluss aller Mitgliedstaaten dazu.
Das heisst, dass es die im Mai anstehende Aktualisierung des Medizinal-Produkte-Abkommens nicht geben wird?
Wir werden unsere vorgegeben gesetzlichen Bestimmungen selbstverständlich respektieren. In diesem Sinne habe ich auch schon mit Aussenminister Ignazio Cassis gesprochen, dass wir zum gegebenen Zeitpunkt darauf zurückkommen werden.
Was ist «zum gegebenen Zeitpunkt»?
Diese Richtlinie ist bei uns noch nicht fertiggestellt. Wenn sie fertiggestellt ist, kann ich erst mit dem Partner darüber reden.
Aber dann sind Sie vielleicht durchaus zu Aktualisierungen bereit?
Nicht zu Verhandlungen. Sondern wir werden unseren Schweizer Freunden die Möglichkeiten klarmachen. Wenn das für sie ok ist, soll es für uns auch ok sein.
Ein wichtiges Thema ist die Assoziierung ans EU-Forschungsrahmenprogramm. Ist der Abschluss eines Rahmenabkommens die Voraussetzung für die Vollassoziierung der Schweizer Universitäten an «Horizon Europe»?
Das ist ein anderes Themenfeld, bei dem es darum geht, in welcher Art und Weise Drittstaaten wie die Schweiz an den EU-Forschungsprogrammen teilnehmen können. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass Länder wie die Schweiz, aber auch Israel und in Zukunft auch Grossbritannien überproportional von den europäischen Forschungsgeldern profitieren.
Der neue Ansatz: Was die Forscher eines Partnerlandes bekommen, soll vom jeweiligen Land aufgebracht werden.
Unser Ansatz in den Verhandlungen für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen geht in die Richtung, dass die Beträge, die die Forscher eines Partnerlandes bekommen, auch entsprechend von dem jeweiligen Land aufgebracht werden sollen; also dass Europa nicht dazuzahlt. Aber was aus unserer Sicht wichtig ist: Es gibt sehr wohl die Absicht – logischerweise, weil wir auch davon profitieren –, dass unsere Partner auch in Zukunft an unseren Forschungsprogrammen teilhaben können.
Zur Präzisierung: Sie können bestätigen, dass die Forschungsassoziierung nichts mit dem Rahmenabkommen zu tun hat?
Ja. Ich kann auf jeden Fall im Namen der Kommission sagen, dass wir ein grosses Interesse daran haben, dass auch die Schweizer Forscherinnen und Forscher in der Zukunft an unseren Programmen mitwirken.
Und die Börsenäquivalenz ist ans Rahmenabkommen gekoppelt, das bleibt dabei?
Ja. Weil das in unserem Verständnis ein Teil des bilateralen Wegs ist, den wir sehr gerne mit der Schweiz fortschreiben wollen. Dessen Grundlage ist eben das Rahmenabkommen.
Auf einen Deal «Börsenäquivalenz gegen Kohäsionsmilliarde» würden Sie sich nicht einlassen?
Nein.
Das Gespräch führte Oliver Washington.