Der Veloselbstverlad in den Zügen ist für viele ein Ärgernis. Zu wenig Platz für die Zweiräder, sagen die einen, zu wenig Sitzplätze, kritisieren jene, die unerwartet von Klappsitzen verscheucht werden.
Und das alles, trotz der Anschaffung von neuem Rollmaterial durch verschiedene Bahnunternehmen. Dass die SBB vor zwei Jahren auch noch eine Velo-Reservationspflicht eingeführt hat, hat die Nerven der Veloselbstverladenden nicht eben entspannt.
Die Südostbahn SOB tüftelt an einem neuen System, das beim Veloverlad Entlastung bringen soll. Hintergrund sind die sich ändernden Platzbedürfnisse der Kundinnen und Kunden. «Im Zug nach Zürich sind wir im Pendlerverkehr und brauchen die Sitzplätze», erklärt SOB-Kundenbegleiter Andreas Infanger. «Dann wenden wir und fahren zurück ins Tessin. Dieser Zug ist dann sehr beliebt bei den Freizeitreisenden.» Heisst: Es braucht Platz. Für Velos, Ski und Gepäck.
Vorhandenen Raum flexibler nutzen
«Der Raum ist da, wir wollen ihn flexibel nutzen», sagt auch Christian Keller, Ingenieur bei der Firma Erfindergeist, die für die Südostbahn aktuell eine Lösung sucht.
Zwei Dinge bleiben aber eine Herausforderung: Der Velo-Selbstverlad ist stark wetterabhängig. Der Bedarf ändere sich stündlich, heisst es bei der Südostbahn. Die Bahnen setzen dieselben Triebzüge für den Pendlerverkehr ein, wo Sitzplätze gefragt sind – und für den Freizeitverkehr.
Das sind nicht einfach Klappsitze. Wir haben einen vollwertigen Sitz mit Kopfstütze.
In der Werkstatt der Südostbahn tüftelt Christian Keller vom Ingenieurbüro Erfindergeist deshalb am Zug der Zukunft. Der Innenraum eines Zuges ist massstabsgetreu nachgebaut. In der Wand verschraubt sind neue Sitzmodelle.
«Das sind nicht einfach Klappsitze, die gibt es ja schon», sagt Keller. «Hier haben wir einen vollwertigen Sitz mit Kopfstütze.» Dieser Platz sei genauso bequem wie alle anderen Sitze. Dennoch soll das Viererabteil mit wenigen Handgriffen weggeräumt werden können.
Praxistest auf der Schiene geplant
Kundenbegleiter Andreas Infanger klappt für einen Test die Sitzflächen hoch, entriegelt mit seinem Vierkantschlüssel die Sitzbank und betätigt ein Pedal. Schon schwenkt sich die ganze Bank an die Aussenwand des Zugmodells. Entwickler und Anwender kommen sofort ins Fachsimpeln: Es fehle noch eine Haltemöglichkeit, nachdem die Sitze weggeklappt sind, moniert der Kundenbegleiter, der sich ständig im Zug bewegt. Christian Keller nimmt den Punkt auf.
Der Vorteil des neuen Ansatzes: Die Sitze sollen in bestehende Züge eingebaut werden können. Und, so sagen die Verantwortlichen, es sei auch bei anderen Bahnen einsetzbar. Auch deshalb wird die Entwicklung vom Bund finanziell gefördert.
Die Südostbahn, die gerade erst neue Züge beschafft hat, will mit den neuen Abteilen Platz für Velos schaffen, bevor die 30 Jahre Nutzungsdauer ihrer Züge abgelaufen sind und eine Neubeschaffung ansteht. Im Winter sollen die neuen flexiblen Abteile aus Wittenbach auf den Gleisen getestet werden.